Sa.,12.7.
Haarnadelkurven und Schotterpiste
Bevor der neue Tag beginnt,
kommt es schon zum ersten Highlight. Zwar werde ich diese Nacht von den
Streifenhörnchen verschont, die für gewöhnlich nachts das Vorzelt nach
Essbarem inspizieren, aber ich werde
durch Schritte im See geweckt. Irgendwas läuft durch den See. Ein Bär! Es muss
ein Bär sein, der durch den See watet.
Raus aus dem Zelt mit der
Sprayflasche in der Hand, nachts um 1:30h bei Vollmond, vor dem Zelt auf dem geschotterten Parkplatz, nein, es
ist kein Bär, zwei große Elche stehen ca. 60m vor mir im See und tauchen immer
wieder ihre Köpfe ins Wasser. Irgendwas muss es dort zu fressen geben.Mitternachtsdinner.
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nächtliche Geräusche, Elche beim Dinner |
Leider ist es für ein Foto
zu dunkel. Knapp 700km südlich von Whitehorse herrscht zwischen 0:00h und 3:00h
schon wieder so etwas wie Dunkelheit. Lange noch höre ich das Geräusch, wenn
die Köpfe ins Wasser eintauchen. Glück gehabt.
Als ich wieder wach werde,
ist es so heiß im Zelt, das es keinen Spaß mehr macht zu frühstücken. Aber durch die
Nylonwand getrennt wartet der Feind bereits auf mich. Heute Morgen herrscht zum ersten
Mal richtig Wind, wenn auch aus der falschen Richtung.
Da kann das Aufsatteln
endlich einmal in Ruhe passieren.
Die ersten 25km sind sehr
gemütlich, der Wind verhindert den lästigen Kontakt zu den Mücken und Bremsen
und gibt es viel Zeit, um stehen zu bleiben, um zu genießen.
Das ändert sich jäh, als das
Schild Brake check erscheint. Die
folgende 8% Abfahrt zur 1970 erbauten Brücke über den Stikine River mit senem atemberaubenden Canyon muss natürlich danach auch
wieder ansteigen.
Auf der anderen Flussseite
gibt es dann eine Premiere, 6 Haarnadelkurven 8% mit Schotterpiste. Manchmal
denkt man die Welt ist voller Komiker. Auch hier in BC.
Da reißen auf sie über 4km den
6 Haarnadelkurven die Asphaltdecke weg, hinterlassen ein mordsmäßig staubiges
Terrain und nichts geschieht, keine Anstalten von Bauarbeiten. Es bleibt mir nicht
anderes übrig, als den Schotterberg hochzuschieben. Am bisher heißesten Tag der
Tour. Mittagshitze, mitten im Nichts, keine einzige Wolke am Himmel und eine
erbarmungslose Sonne.
Der Staub der herunter breschenden
Trucks nimmt einem für Minuten die Sicht. Ich komme mir vor wie in einem
schlechten Film.
Oben angekommen sind es
immer noch 20km bis Iskut. Mein Gefühl sagt mir etwas ganz anderes. Irgendwie
stimmt der Km-stand heute wieder überhaupt nicht. 5km weiter dann etwas Nettes.
Ich muss auf einem Rastplatz das linke Auge spülen und will kurz in den großen
Spiegel eines Pickups gucken und zack, werde ich zu zwei leckeren Sandwiches
eingeladen. Penny und Ron aus Vancouver sind auf dem Rückweg von Alaska.
Als ich wieder losfahren
will und das Fahrrad am Sattel anfasse, habe ich die Satteldecke in der Hand. Mein schöner Brookssattel ist dahin. Verschleißteile, alles nur
Verschleißteile.
Brooks Sättel
Ich werde mich an diesem herrlichen Tag nicht frustrieren
lassen und mit zwei Mutanten-Kabelbindern ist der teure Brookssattel notdürftig
repariert, noch 530km bis zum nächsten Fahrradladen! Wie kann das bloß sein? Warum
verliere ich unbemerkt die Sattelspannmutter? Es ist nicht zum aushalten. Ich
führe einen permanenten Krieg gegen irgendwelche Pannen. Ich frage mich, was
als nächstes passiert.
Die letzten 17km nach Iskut gelingen
einfach nicht mehr, die Sonne steht im Zenit, der Wind bläst ordentlich von
vorn, ich fühle mich ausgelaugt. Nach einer endlosen langen Zeit erreiche ich
endlich Iskut.
Gut 200 Menschen sollen hier wohnen, kaum zu glauben, ein Generalstore
mit Tankstelle an einer staubigen Strasse einige wenige Häuser. Angehörige der Tahltan First Nation.
Wikipedia.org Tahltan
Aber im Store
gibt es den lang ersehnten Kaffee. Und Trinkwasser. Und sogar meine
Lieblingskekse. Internet ist gratis für 30min, Zeit genug Ellinor eine Mail zu
schreiben. Leider bin ich das letzte Drittel so langsam gefahren, das Ellinor
bereits schläft.
Im Grunde will ich nach
diesem Tag nur noch an den großen herrlichen See. An diesem Tag ist ein Bad
Pflicht.
Aber ein geeigneter Zugang
will einfach nicht kommen. Ich bin viel zu schnell in Tatogga. Ein schöne Lodge, die neben Cabins auch einen Campground anbietet. Mitten im Nichts. Aber es
wirkt ungemein gemütlich und ich erblicke im Salon einen präparierten Elch. Alter!
der ist lässig genauso groß wie ich. Zum Glück kamen die beiden heute Nacht
nicht nach dem Lunch noch einmal bei mir vorbei.
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Iskut Lake |
Der Kaffeepreis von $2 ist
äußerst moderat für diese Herberge und genieße den Kaffee lange im Jagdzimmer
mit Blick auf den Elch.
Der nächste See meiner Wahl befindet
sich nur noch 10km von hier entfernt, das muss noch drin sein. Wieder warnt
ein Schild, nächster Service erst in 141km. Check your Fuel!
Allmählich habe ich Übung
mit dem Umgang solcher Schilder und die Distanz sollte in 2 Tagen machbar sein.
Also kein weiteres Wasser, 5 Liter sollten reichen.
Und dann passiert es doch.
Nur wenige Kilometer vor dem See, dem Endpunkt des Tages erreicht, fahre ich über einen
Stein, sehe ihn sogar vor mir und denke nichts dabei. Ein Stein, halt einer wie
Millionen andere auch und nicht mal 2 Sekunden später höre ich dieses bekannte
Zischen. Ungläubig fasziniert schaue ich zwischen die Beine nach unten und bin zum eigenen
Erstaunen nicht mal geschockt.
Der nächste Platten. Wieder
hinten, wieder zur Unzeit, noch immer knappe 480km vom rettenden Fahrradladen
entfernt.Ooh no!