tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Montag, 21. Juli 2014

Houston

So.,20.7.
Maiwetter im Juli
Heute keine große Strecke. 64km nach Houston, der Tag sorgt für seine eigenen Überraschungen. Zunächst komme ich aber fast nicht hoch. Das Bett ist saubequem und ich bleibe bis 07:30h liegen. Nur nicht nachgeben, heute wird gefahren. Ein Blick aus dem Fenster zeigt eine enorm demotivierende Aussicht. Die Regenwolken sind fast zum Greifen nah. Auf dem Motelhof sind riesige Wasserlachen.


Zeit für mehrere Kaffee hintereinander, nur langsam komme ich mit dem Packen zurecht. Zwischendurch immer wieder der zu verdrängende Gedanke bleib’ doch noch einen Tag. Nein! Morgen wird’s nicht besser. Wenn Du unbedingt in einem Motel schlafen musst, kannst du auch in Houston.
Start erst gegen 11:00h.
Mike aus Smithers
Nach 12km schon die erste Pause in Telkwa. Eine willkommene Ablenkung bietet der örtliche Grocerystore mit Kaffeeausschank. Ich vertrödele die Zeit. Was soll’s, sind ja nur noch 48km. 

Draußen vor der Tür kommt mir Mike entgegen, wieder eine hervorragende Gelegenheit noch einmal Zeit zu schinden. Mike ist Lehrer, stammt aus London und lebt seit einigen Jahren im Westen Canadas. Er sagt, er muss sich zunächst bewähren, man bekommt nicht gleich eine Daueranstellung. So wechselt er jedes Jahr die Schule. In Houston wäre nichts los, dort habe er schon gearbeitet. Mike ist ebenfalls passionierter Biker und wir dehnen die Gesprächspause ein wenig aus. 
Nächstes Jahr will er mit seinem Kumpel in Europa fahren, Gesprächsstoff gibt es also genug. Wir stehen unter dem Vordach des Grocerystores, es regnet während unseres Gesprächs 3x. Immer kurze Schauer. Meist weiß man gar nicht, wo der Verursacher sitzt, denn 180° rechts herum, scheint die Sonne und nach wenigen Minuten ist der Regen wieder vorbei.

Max aus Utah
Die Landschaft ist reichlich hügelig, das Bekannte auf und ab, allerdings, die ganz großen Postkartenmotive fehlen an diesem Tag. Die Region ist bäuerlich geprägt, überall sind große Rundballen auf den Feldern, die Höfe wirken längst aber nicht so groß wie in Manitoba.

Die Straßenqualität lässt arg zu wünschen übrig. Es herrscht akuter Handlungsbedarf. Der 16er ist in die Jahre gekommen, aber das trifft  den Autofahrer gleichermaßen. Rauher Straßenbelag, der immer wieder abschnittsweise ausgebessert worden ist. In ihrer Hilflosigkeit streuen die Straßenbauer in die neu aufgetretenen Ritzen jede Menge Schotter und ich versuche in meiner Hilflosigkeit die Berge zu umfahren. Auf Abfahrten geht das nicht, da muss auf die Fahrbahn ausgewichen werden.
Karte Houston source:mackenziebc.com

Letzter Programmpunkt an einem ansonsten ereignislosen 70km-Tag ist der Hungry Hill. Respekt! Schon von weitem kann man diesen endlosen Anstieg bewundern. Der Scheitelpunkt ist nicht zu sehen, also vor dem hungrigen Berg erstmal rechts ran und selber Bananen gestopft. Da erscheint Max von der anderen Seite. Er ist in Salt Lake City, in Utah gestartet und will zum Denali NP. Wir drehen uns gemeinsam um und sehen die regenverschleierten grauen Berge in der Ferne, da willst Du hin? Na da dann viel Spaß, ich würd’s mir noch mal überlegen. 
 
Max ist 24 Jahre  und hat gerade sein Studium für Chemie und Umwelt in Utah abgeschlossen. Wie so einige die ich traf, hat auch er dasselbe Alter meines Sohnes. Leider hat er keinen blog, ich hätte gerne erfahren wie er angekommen ist.
Hungry Hill
Der Hungry Hill macht seinem Namen alle Ehre. Ein kraftzehrender Bonebraker. Es dauert ewig, mehr als 5,8km ist der Weg lang, auf dem Fastgipfel gibt es eine Raststation, die ist zu dem Zeitpunkt auch bitter nötig.
Dann aber beginnt die langgezogene Abfahrt. Zuerst gemächlich, dann immer schneller werdend. Abfahrt bei einer Vollschüttung mit 60km/h. Obwohl noch gut 12km bis Ziel zu fahren sind und man ungläubig der Sache entgegen sieht, wie immer einen Schlussanstieg erwartetend, rollt man erst in Houston aus. 
 
Ich erkenne das VisitorCenter von weitem und sehe einen großen Charterbus. Die Leute sind im Begriff wieder in den Bus zu steigen, da haben es alle nocheinmal eilig, einen Radwanderer zu fotographieren. Da ich, wie so oft Amerikaner vor mir wähne, sage ich laut und deutlich, jo, auch Du bekommst Dein Foto, dafür schaust Du aber meinen blog an.

Ich habe keine Berührungsängste, aber mir geht dieses oh wie sieht der denn aus, komm, schnell mal ein Foto, kann man ja später wieder löschen, auf die Nerven. Reiner degenerierter Voyeurismus.
 
Leute, die ehrlich Interesse zeigen, kann man ganz anders entgegen treten.
Und schau an, es sind Österreicher, 60+, junge Leute suche ich vergebens, erst einer, dann mehr, nachher steht eine Gruppe um mich herum und ich beantworte gerne ihre Fragen.
Auf der Fahrt hierher habe ich viele gute Radfahrer getroffen, die 3x mehr geleistet haben und entbehrungsreichere Zeiten durchgemacht haben. Da bin ich wirklich nichts besonderes und das ist mir dreimal lieber, als sich wie ein Tier zu fühlen.


Das VisitorCenter macht derweil zu, schade, Zeit verpasst, aber der Lebensmittelladen hat noch auf. Und da sich Doc Steffen Sorgen um meinen täglichen Proteinbedarf gemacht hat entdecke ich in der Kühle Truthahnbrustfilet, mariniert angebraten und welch Glück preislich bereits reduziert, weil out of date.
frühmorgendlicher Ruhestörer
Nachdem Isaak mir neulich empfohlen hatte, lieber Wraps, anstatt dem pappigen  Körnerbrot zu nehmen und weil es ohnehin in der Tasche kaputtgedrückt wird, bin ich nun umgestiegen auf Spinatwraps. Also Wraps mit Truthahn, französischer Knoblaubcreme und Tomaten und der Bär hat keine Chance.
Inzwischen habe ich festgestellt, überall in Canada sind an öffentlichen Gebäuden stromführende Aussensteckddosen angebracht.
So sitze ich am Abend regengeschützt unter dem Dach eines Freilichttheaters und kann den blog stromsparend schreiben. Und weil’s einfach so gut läuft an diesem Tag, ist genau praktischer Weise genau gegenüber ein alter aufgelassener Campingplatz zu finden. Wenn bloß dieser stündliche Regen nicht wäre.