tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Samstag, 24. Mai 2014

Manchmal scheitert es an Kleinigkeiten

Morgenstimmung über dem Oldman River


Fr.,23.5.
Auf dem Weg zum Crowsnest Pass
Es ist noch sehr früh um 5:00h, als ich aufwache, ich will heute schnell sein; Ellinor erreichen, bevor sie sich noch mal vor der Nachtwache hinlegt.
Also schneller Zeltabbau, den Trecker den Schotterweg hochschieben und ein kurzer Lift nach Pincher Creek. Tim Horton aufsuchen, einloggen, skypen.
Aber die Beine sind schwer an diesem Morgen, der gestrige Tag wohl doch zu fordernd und das rechte Knie schmerzt mehr, als ich mir eingestehen will. Immerhin nicht geschwollen.
Schwere Beine, alles psychisch. Nun quäl Dich mal ein wenig für Ellinor. Es fällt jedoch schwer und ich bin heilfroh die Kaffeestube zu erreichen. 
Sitze also mit Rechner und dann ist der Akku nach 10min fast leer. Herrjeh, gestern Abend stand da noch 1h. Hektische Blicke nach einer Steckdose, aber in diesem Laden gibt's nur die hölzerne Wandverkleidung. Dann ist der Rechner schwarz.
Nach kurzem Gespäch und Einkauf kann zum Crowsnest Pass durchgestartet werden. Gute 1450m über Meeresniveau, das ist für den schwerbeladenen Trecker schon ein Wort, auf der anderen Seite, wenn nicht diesen Pass, dann kann ich gleich zur Küste fahren.

So leicht sich das sagen läßt, so schwer bleibt die Umsetzung. Schon nach 10km muß ich das erste Mal vom Rad.

Die Landschaft ist immer wieder durch tiefe Canyons durchschnitten. Da ist beim besten Willen kein hochtrampeln, da hilft nur absteigen und schieben. 
Lundbreck Hotel

Nach 20km Lundbreck, danach beginnt die Crowsnest Gemeinde, in der mehere Orte zusammengefasst sind. Allesamt haben eine lange Bergwerkstradition; im ausgehenden 19.Jh. Steinkohle hat man hier abgebaut. 
Ich habe für mich beschlossen über den Pass zu wollen, um dann in der Nähe ein Motel zu finden. Keine zweite Gewalttour, wie am gestrigen Tag. 

Ich brauche dringend Netzstrom, auch der Fotoapparat benötigt seit gestern das Reserve Akku.
Und wieder mal eine warme Dusche.
Es ist ein schwerer Tag. Der Wind ist nicht besser geworden, erbarmungslos fegt er mich vom Seitenstreifen, ich habe Mühe, das Rad gerade zu halten.
Meine Unlust steigert sich von Tag zu Tag, irgendwann muß jede Serie reissen, irgendwann muß es auch für mich Rückenwind geben.

Später werde ich ein Biker treffen, der behaupten wird, bist Du erst in BC, hört das schlagartig auf mit dem Wind. Allein, mir fehlt seit Tagen die Hoffnung.

Dafür ist die Vorgebirgslandschaft unsagbar schön zu beobachten. Ein warmer Wind bläst mir entgegen. Ich habe seit gestern aufgerüstet. Sonnenschutzfaktor 60, Typ Baby. Trotz reichlichem Verbrauch hatte ich gestern eine nicht zu übersehende Blasenbildung auf dem der Sonne zugwandtem linken Oberarm. Bei dem Sturm ist der Sonnenbrand eben erst spät zu spüren.

Ich will vorbereitet sein und entsinne mich meines seit längerem verstauten Garmin. Wofür ein Garmin hier in der Prärie, geht ja nur gerade aus, war vor Tagen mein Credo und dann haut's mich schier vom Rad: das Garmin verzeichnet 1265m über Meereshöhe. Ein unglaubliche Zahl. Ungläubig starte ich das Ding neu und tatsächlich, ich bin inzwischen über 1200m. Die Chancen steigen, den Pass zu überwinden.

Dann erscheint das Ortsschild Crowsnest Pass und die Enttäuschung ist groß. Es wird keine Serpentinen geben, keine Passhöhe, sowie ich das aus der Schweiz kenne. Die ganze Region benutzt diesen Namen als Samtgemeinde. Am Ende der Gemeindestrasse bin ich in BC. Aber noch sind es 18km. Ich komme nach Bellevue, dem ersten Ort. Von nun an geht es ineinander über. Der Highway ist umsäumt von hohen schneebedeckten Bergen. Jeder dieser Orte hat seine eigene Geschichte und die hängt stark mit mit dem Kohleabbau zusammen.

Die Rockies tauchen auf



Do., 22.5.
Der Tag der Becker-Faust
Der Tag ist heute zweigeteilt und wie so oft gibt es keine zwei Schokoladenseiten. Aber zunächst beginnt der Tag nach Maß.
Gegen 07:00h ist es schon so warm, das es Zeit wird, das Zelt zu verlassen. Zurück auf den Crowsnest Highway. Was gestern schon zu sehen war, heute muß es bewältigt werden, die Ausfahrt bergan aus dem Oldman Talkessel.
Eine Wand taucht vor mir auf. Direkt hinter dem Edelcampingplatz, den ich für canadische Verhältnisse zu nachtschlafender Zeit begutachten kann. Lauter Riesen Caravans, Mutanten Treff. Wer schon einen Pickup besitzt, dem wird ein Andock Anhängerwohnmobil offeriert. Auch bezechnet als fifth wheel, das fünfte Rad, ich würde eher sagen, rocks on the leg, den Klotz am Bein. mindestens 7m lang und ausfahrbare Seitenteile. Zelter sind keine zu sehen.
21min im ersten Gang bei nicht mehr als 8km/h, handgestoppt. Dann ist die Bergankunft erreicht. Der Schweiß läuft in Strömen, keine halbe Stunde nach Abfahrt. Und da geht sie raus, die Becker-Faust, yeah, das erste Mal seit Ontario. Diese Wand ist besiegt. Was für ein Tagesbeginn.
In Coalshurst gibt’s an der Esso den ersten Kaffee, 5km nach Überwindung der Oldman Schlucht und für eine Sekunde abgelenkt, übersehe ich eine Schwelle, kann das Rad nicht halten und es gibt den ersten Sturz in Kanada. Das rechte Knie blutig aufgeschlagen, einige Schürfwunden, tanze ich ein wenig vor der Zapfsäule, oohhh, wie ein Idiot. Gestern noch im Feierabendverkehr vor den Lastern balanciert und heute zu doof sein Rad bei Esso zu abzustellen. Humpelnd am Tankwart vorbei in den Essoeigenen Washroom, um die blutigen Knie vom Strassenstaub zu befreien. Danach einen Kaffee.
Kurz danach geht es dann los. Ein Blick nach links und ich trau' meinen Augen nicht, da sind sie. Es herrscht großartiger Fön an diesem Tag mit großen Fernweiten und man sieht deutlich die schneebedeckten Gipfel der Rockies, gut 120km entfernt. Was für ein Anblick. That’s why I’am here. Zumindest teilweise. Ist das geil.  Die Sonne strahlt, der Wind hat Pause und die gesamte linke Flanke wird von den Rockies begrenzt. Soweit das Auge sich auch dreht. Mir fehlen die Worte. Zu diesen Bilder fällt mir nichts ein.  Es rührt mich an. Du fährst in der schönsten Landschaft, auf einem fantastischen Radweg, es ist wunderbar kuschelig und kriegst ein Panorama gratis, das ist Porno. 
Es sind 42km bis Fort Mc.Leod einem frühen Aussenposten in der Besiedlung Kanadas durch den weissen Mann und seinem Drang nach Westen. Die Hälfte der Tagesstrecke, allerdings, wenn das Wetter so bleibt ist auch mehr drin.
Im Ort gibt es das erhaltene Orignalfort,allerdings eine Spur zu gut erhalten und eine durchaus nett wirkende Innenstadt.
In Ft.McLeod gibt auch Tim Horton sich die Ehre und ich schaue permanent auf die Uhr, Ellinor hat Nachtdienst, mit ein wenig Glück, erreiche ich sie vor Abfahrt noch. Manchmal ist die Zeitverschiebung echt störend. Während es hier zu Mittag geht, verlässt Ellinor in Lübeck das Haus zum Dienst.

Ich versuche Tempo zu machen, die Zeit wird eng, ich sehe das Ortsschild und dann passiert wieder nichts. Wieder Leere, Kilometer um Kilometer Brache, Industriegebäude, los, Tim zeig Dich endlich! Die Zeit verrinnt, endlich taucht das markante ockerfarbende Gebäude mit dem typischen roten Schriftzug auf, ich bin fast da und dann spielt mir meine geliebte Eisenbahn einen Streich. Ortsdurchfahrt westbound, genau 100m vor dem Kaffee, die Lampen blinken, ich könnte durchbrechen, aber ich halte mich an die Regeln. es dauert.
Ich komme zu spät.

Während ich die Posts absende und schnell die mails durchgehe, verändert sich unbemerkt das Wetter, ein gewaltiger Wind kommt auf. Als ich nach einer Stunde die Kaffeestube wieder verlasse, ist nichts mehr so wie es war. Starke Westwinde liegen mir jetzt auf der Brust, mehr als 10km/h sind nicht mehr drin. Das kann doch nicht war sein! Ich habe auf der baumlosen Hochebene nicht die Spur einer Chance dem Wind zu entgehen. Wieso muss das so sein. Wie so oft droht mein Tagesziel ein Opfer der Widrigkeiten zu werden. Warum kann dieser Wind nicht wenigsten kurzfristig mal nachlassen.
In der ersten Stunde bin 9km von McLeod weiter gekommen, noch 39km bis Pincher Creek. Was sind schon 39km. Und ich brauche nur das Rad umzudrehen, um ein Foto nach zu holen, und es rollt von allein. 
Ab es soll nicht sein. Die Natur ist an diesem Tag wieder gegen mich. Ein ostwärts fahrender Fahrer kommt mir entgegen, schnell, ohne sich anzustrengen, während ich verbissen um jede 100m kämpfen muss. Jeder Km eine Ewigkeit.