tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Samstag, 24. Mai 2014

Die Rockies tauchen auf



Do., 22.5.
Der Tag der Becker-Faust
Der Tag ist heute zweigeteilt und wie so oft gibt es keine zwei Schokoladenseiten. Aber zunächst beginnt der Tag nach Maß.
Gegen 07:00h ist es schon so warm, das es Zeit wird, das Zelt zu verlassen. Zurück auf den Crowsnest Highway. Was gestern schon zu sehen war, heute muß es bewältigt werden, die Ausfahrt bergan aus dem Oldman Talkessel.
Eine Wand taucht vor mir auf. Direkt hinter dem Edelcampingplatz, den ich für canadische Verhältnisse zu nachtschlafender Zeit begutachten kann. Lauter Riesen Caravans, Mutanten Treff. Wer schon einen Pickup besitzt, dem wird ein Andock Anhängerwohnmobil offeriert. Auch bezechnet als fifth wheel, das fünfte Rad, ich würde eher sagen, rocks on the leg, den Klotz am Bein. mindestens 7m lang und ausfahrbare Seitenteile. Zelter sind keine zu sehen.
21min im ersten Gang bei nicht mehr als 8km/h, handgestoppt. Dann ist die Bergankunft erreicht. Der Schweiß läuft in Strömen, keine halbe Stunde nach Abfahrt. Und da geht sie raus, die Becker-Faust, yeah, das erste Mal seit Ontario. Diese Wand ist besiegt. Was für ein Tagesbeginn.
In Coalshurst gibt’s an der Esso den ersten Kaffee, 5km nach Überwindung der Oldman Schlucht und für eine Sekunde abgelenkt, übersehe ich eine Schwelle, kann das Rad nicht halten und es gibt den ersten Sturz in Kanada. Das rechte Knie blutig aufgeschlagen, einige Schürfwunden, tanze ich ein wenig vor der Zapfsäule, oohhh, wie ein Idiot. Gestern noch im Feierabendverkehr vor den Lastern balanciert und heute zu doof sein Rad bei Esso zu abzustellen. Humpelnd am Tankwart vorbei in den Essoeigenen Washroom, um die blutigen Knie vom Strassenstaub zu befreien. Danach einen Kaffee.
Kurz danach geht es dann los. Ein Blick nach links und ich trau' meinen Augen nicht, da sind sie. Es herrscht großartiger Fön an diesem Tag mit großen Fernweiten und man sieht deutlich die schneebedeckten Gipfel der Rockies, gut 120km entfernt. Was für ein Anblick. That’s why I’am here. Zumindest teilweise. Ist das geil.  Die Sonne strahlt, der Wind hat Pause und die gesamte linke Flanke wird von den Rockies begrenzt. Soweit das Auge sich auch dreht. Mir fehlen die Worte. Zu diesen Bilder fällt mir nichts ein.  Es rührt mich an. Du fährst in der schönsten Landschaft, auf einem fantastischen Radweg, es ist wunderbar kuschelig und kriegst ein Panorama gratis, das ist Porno. 
Es sind 42km bis Fort Mc.Leod einem frühen Aussenposten in der Besiedlung Kanadas durch den weissen Mann und seinem Drang nach Westen. Die Hälfte der Tagesstrecke, allerdings, wenn das Wetter so bleibt ist auch mehr drin.
Im Ort gibt es das erhaltene Orignalfort,allerdings eine Spur zu gut erhalten und eine durchaus nett wirkende Innenstadt.
In Ft.McLeod gibt auch Tim Horton sich die Ehre und ich schaue permanent auf die Uhr, Ellinor hat Nachtdienst, mit ein wenig Glück, erreiche ich sie vor Abfahrt noch. Manchmal ist die Zeitverschiebung echt störend. Während es hier zu Mittag geht, verlässt Ellinor in Lübeck das Haus zum Dienst.

Ich versuche Tempo zu machen, die Zeit wird eng, ich sehe das Ortsschild und dann passiert wieder nichts. Wieder Leere, Kilometer um Kilometer Brache, Industriegebäude, los, Tim zeig Dich endlich! Die Zeit verrinnt, endlich taucht das markante ockerfarbende Gebäude mit dem typischen roten Schriftzug auf, ich bin fast da und dann spielt mir meine geliebte Eisenbahn einen Streich. Ortsdurchfahrt westbound, genau 100m vor dem Kaffee, die Lampen blinken, ich könnte durchbrechen, aber ich halte mich an die Regeln. es dauert.
Ich komme zu spät.

Während ich die Posts absende und schnell die mails durchgehe, verändert sich unbemerkt das Wetter, ein gewaltiger Wind kommt auf. Als ich nach einer Stunde die Kaffeestube wieder verlasse, ist nichts mehr so wie es war. Starke Westwinde liegen mir jetzt auf der Brust, mehr als 10km/h sind nicht mehr drin. Das kann doch nicht war sein! Ich habe auf der baumlosen Hochebene nicht die Spur einer Chance dem Wind zu entgehen. Wieso muss das so sein. Wie so oft droht mein Tagesziel ein Opfer der Widrigkeiten zu werden. Warum kann dieser Wind nicht wenigsten kurzfristig mal nachlassen.
In der ersten Stunde bin 9km von McLeod weiter gekommen, noch 39km bis Pincher Creek. Was sind schon 39km. Und ich brauche nur das Rad umzudrehen, um ein Foto nach zu holen, und es rollt von allein. 
Ab es soll nicht sein. Die Natur ist an diesem Tag wieder gegen mich. Ein ostwärts fahrender Fahrer kommt mir entgegen, schnell, ohne sich anzustrengen, während ich verbissen um jede 100m kämpfen muss. Jeder Km eine Ewigkeit.


Um 17:00h gebe ich entnervt auf. 35km in 4h, grauenhaft, aber ich muß es wieder hinnehmen. Ich war wieder mal ohne Chance. Picher Creek, obwohl so nah, muss auf mich warten. Es würde nochmal 90min Fahrt bedeuten. Morgen geht’s weiter.
Bleibt die Frage der Schlafgelegenheit. Die Farmen sind viel zu weit von der Strasse auf der Hochebene entfernt. Ich scheue den Versuch zu fragen, weil der Weg bei Ablehnung mit einer Fahrt gegen den Wind bezahlt werden muß.
Vor mir taucht hinter Brocket der riesige Oldman Canyon auf. Eine Pferdefarm liegt am Wegesrand, fein gemähter Rasen, saubere Zaunführung. Ich könnte mich ja so klein wie möglich machen, bestimmt würde ich am Abend den adretten Eindruck der Farm mit meinem Rad nicht zerstören. Leider sehen der Besitzer das anders. 
Damit steht es 3:3, die viel beschworene Leichtigkeit, mal eben so auf dem Bauernhof im Heu zu übernachten, die Freundlichkeit der Farmer, alles lug und trug und steht einer hohen Skepsis dem Reiter gegenüber, selbst wenn ich dringend drauf hinweise, ich hätte alles dabei und erwarte auch nichts.
Ich will die Leute nicht überreden, danke, have a nice day und schon geht’s weiter; im Baltikum habe ich nie jemanden fragen müssen. Hier ist immer alles eingezäunt, so einfach in-the fields geht nicht. Und trotzdem wird es auch hier darauf hinauslaufen, immer wieder sich Absagen einzufangen, da kannst Du gleich dein Zelt hintern nächsten Knick aufbauen und abwarten.
Dennoch und das will ich dem Farmer zu Gute halten, empfiehlt er einen Campground 1,5km weiter, der zwar keiner ist, aber ein brachliegendes Wäldchen an den Ufern des hier breiten Oldman Flusses. Aber ich soll mich in Acht nehmen, die Gegend hier wimmelt voller Coyoten.
Herrjeh, was sind denn nun Coyoten, und tun die was? Wölfe, Bären, aber ausgerechnet Coyoten. Sie würden nachts mit Waffen Jagd auf Coyoten machen. 
Der beschriebene Platz ist leicht zu finden, es stellt sich als bessere Alternative heraus und der krönende Tagesabschluß ist ein erfrischendes Bad im kühlen Flusswasser. Warten wir also auf die Ankunft der Coyoten.
Nachtrag: 
eigentlich wollte ich heute morgen uploaden, aber der Akku des Netbooks ging in die Knie, und  Tim Hortons hatte keine Steckdosen im Angebot; nun inzwischen in Blairmore auf einem richtig offiziellen Campground klappt alles prima.


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