tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Freitag, 11. Juli 2014

Tatogga Lodge-erneut technische Probleme



Sa.,12.7.
Haarnadelkurven und Schotterpiste
Bevor der neue Tag beginnt, kommt es schon zum ersten Highlight. Zwar werde ich diese Nacht von den Streifenhörnchen verschont, die für gewöhnlich nachts das Vorzelt nach Essbarem inspizieren,  aber ich werde durch Schritte im See geweckt. Irgendwas läuft durch den See. Ein Bär! Es muss ein Bär sein, der durch den See watet.
Raus aus dem Zelt mit der Sprayflasche in der Hand, nachts um 1:30h bei Vollmond, vor dem Zelt auf dem geschotterten Parkplatz, nein, es ist kein Bär, zwei große Elche stehen ca. 60m vor mir im See und tauchen immer wieder ihre Köpfe ins Wasser. Irgendwas muss es dort zu fressen geben.Mitternachtsdinner.
nächtliche Geräusche, Elche beim Dinner
Leider ist es für ein Foto zu dunkel. Knapp 700km südlich von Whitehorse herrscht zwischen 0:00h und 3:00h schon wieder so etwas wie Dunkelheit. Lange noch höre ich das Geräusch, wenn die Köpfe ins Wasser eintauchen. Glück gehabt.
Als ich wieder wach werde, ist es so heiß im Zelt, das es keinen Spaß mehr macht zu frühstücken. Aber durch die Nylonwand getrennt wartet der Feind bereits auf mich. Heute Morgen herrscht zum ersten Mal richtig Wind, wenn auch aus der falschen Richtung.
Da kann das Aufsatteln endlich einmal in Ruhe passieren.
Die ersten 25km sind sehr gemütlich, der Wind verhindert den lästigen Kontakt zu den Mücken und Bremsen und gibt es viel Zeit, um stehen zu bleiben, um zu genießen.
Das ändert sich jäh, als das Schild Brake check erscheint. Die folgende 8% Abfahrt zur 1970 erbauten Brücke über den Stikine River mit senem atemberaubenden Canyon muss natürlich danach auch wieder ansteigen.
Auf der anderen Flussseite gibt es dann eine Premiere, 6 Haarnadelkurven 8% mit Schotterpiste. Manchmal denkt man die Welt ist voller Komiker. Auch hier in BC.
Da reißen auf sie über 4km den 6 Haarnadelkurven die Asphaltdecke weg, hinterlassen ein mordsmäßig staubiges Terrain und nichts geschieht, keine Anstalten von Bauarbeiten. Es bleibt mir nicht anderes übrig, als den Schotterberg hochzuschieben. Am bisher heißesten Tag der Tour. Mittagshitze, mitten im Nichts, keine einzige Wolke am Himmel und eine erbarmungslose Sonne.
Der Staub der herunter breschenden Trucks nimmt einem für Minuten die Sicht. Ich komme mir vor wie in einem schlechten Film.
Oben angekommen sind es immer noch 20km bis Iskut. Mein Gefühl sagt mir etwas ganz anderes. Irgendwie stimmt der Km-stand heute wieder überhaupt nicht. 5km weiter dann etwas Nettes. Ich muss auf einem Rastplatz das linke Auge spülen und will kurz in den großen Spiegel eines Pickups gucken und zack, werde ich zu zwei leckeren Sandwiches eingeladen. Penny und Ron aus Vancouver sind auf dem Rückweg von Alaska. 
 Travel-british-columbia Iskut
Zwei Tage war ich ohne Panne und ich lobe den Tag gegen Mittag einfach zu früh.

Als ich wieder losfahren will und das Fahrrad am Sattel anfasse, habe ich die Satteldecke in der Hand. Mein schöner Brookssattel ist dahin. Verschleißteile, alles nur Verschleißteile. 

Brooks Sättel 
Ich werde mich an diesem herrlichen Tag nicht frustrieren lassen und mit zwei Mutanten-Kabelbindern ist der teure Brookssattel notdürftig repariert, noch 530km bis zum nächsten Fahrradladen! Wie kann das bloß sein? Warum verliere ich unbemerkt die Sattelspannmutter? Es ist nicht zum aushalten. Ich führe einen permanenten Krieg gegen irgendwelche Pannen. Ich frage mich, was als nächstes passiert.

Die letzten 17km nach Iskut gelingen einfach nicht mehr, die Sonne steht im Zenit, der Wind bläst ordentlich von vorn, ich fühle mich ausgelaugt. Nach einer endlosen langen Zeit erreiche ich endlich Iskut. 

Gut 200 Menschen sollen hier wohnen, kaum zu glauben, ein Generalstore mit Tankstelle an einer staubigen Strasse einige  wenige Häuser. Angehörige der Tahltan First Nation. 
Wikipedia.org Tahltan 
Aber im Store gibt es den lang ersehnten Kaffee. Und Trinkwasser. Und sogar meine Lieblingskekse. Internet ist gratis für 30min, Zeit genug Ellinor eine Mail zu schreiben. Leider bin ich das letzte Drittel so langsam gefahren, das Ellinor bereits schläft.

Im Grunde will ich nach diesem Tag nur noch an den großen herrlichen See. An diesem Tag ist ein Bad Pflicht.
Aber ein geeigneter Zugang will einfach nicht kommen. Ich bin viel zu schnell in Tatogga. Ein schöne Lodge, die neben Cabins auch einen Campground anbietet. Mitten im Nichts. Aber es wirkt ungemein gemütlich und ich erblicke im Salon einen präparierten Elch. Alter! der ist lässig genauso groß wie ich. Zum Glück kamen die beiden heute Nacht nicht nach dem Lunch noch einmal bei mir vorbei.
Iskut Lake
Der Kaffeepreis von $2 ist äußerst moderat für diese Herberge und genieße den Kaffee lange im Jagdzimmer mit Blick auf den Elch.
Der nächste See meiner Wahl befindet sich nur noch 10km von hier entfernt, das muss noch drin sein. Wieder warnt ein Schild, nächster Service erst in 141km. Check your Fuel!

Allmählich habe ich Übung mit dem Umgang solcher Schilder und die Distanz sollte in 2 Tagen machbar sein. Also kein weiteres Wasser, 5 Liter sollten reichen.
 
Und dann passiert es doch. Nur wenige Kilometer vor dem See, dem Endpunkt des Tages erreicht, fahre ich über einen Stein, sehe ihn sogar vor mir und denke nichts dabei. Ein Stein, halt einer wie Millionen andere auch und nicht mal 2 Sekunden später höre ich dieses bekannte Zischen. Ungläubig fasziniert schaue ich zwischen die Beine nach unten und bin zum eigenen Erstaunen nicht mal geschockt.
Der nächste Platten. Wieder hinten, wieder zur Unzeit, noch immer knappe 480km vom rettenden Fahrradladen entfernt.Ooh no!

Einmal das sagen, was ich wirklich denke, allein die BlogEtikette verhindert das.

Ich weiß nicht, wie oft ich über Schotter an diesem Tag gefahren bin, nichts ist passiert, gar nichts, ich verstehe die Welt nicht mehr. Was ist das für ein Material, das in diesem Land erhältlich ist, das ist doch nicht zu glauben, mir glaubt doch keiner mehr, wenn ich sage, jo, alle 3 Tage war der Reifen platt. Das muss doch nach Übertreibung klingen.

Tatogga Lodge source: tatogga.ca
Ich schiebe das Rad in die nächste freie Rodungsfläche. Zum Glück ist ein großer Bach in der Nähe. Still frustriert wechsele ich zum wiederholten Maße den Reifen, wohl wissend, jetzt sind alle verbraucht. Hätte ich bloß mehr aus Deutschland mitgenommen. Das Flickzeug hier ist genauso schlecht, wie die Reifen selbst. 
Ich bin nun mit meinem Latein am Ende, ich weiß jetzt nicht mehr weiter.
Es gibt nur eines auf das wie jeden Abend Verlass ist; ich habe noch nicht einmal das Zelt abgeladen, da sind die ersten Mücken und Bremsen schon da. Reifenwechsel in der Hitze bei Anwesenheit von Horsefly&Co.

Nach dem Bad im Fluss, setze ich mich ins Zelt und versuche in meiner Hoffnungslosigkeit wieder einmal den Umgang mit dem Flickzeug. Es ist ein hilfloses Unterfangen. 
Wäre ich zu Hause, würde ich Ellinor die Sache übergeben, sie hat ein viel mehr Ruhe mit dieser Arbeit. Nach zwei Stunden gebe ich entnervt auf und frage mich, wie viel Sinn es macht, weiterhin die defekten Schläuche mitzuschleppen. 

Auf Ellinor’s Fingerspitzengefühl zu hoffen und bei eigener Unfähigkeit die Dinger noch 200km mitzuschleppen ist bei dem Gewicht reichlich sinnfrei. Mit meiner Hilflosigkeit ist es zum Heulen.
Matchball, es gibt keine Reserveschläuche mehr, von nun an muß es eben so klappen.