Freilauf kaputt
Dabei fing der Tag so
harmonisch an und endete eigentlich auch wieder so. Nur bleibt ein
klitzekleines Restproblem bestehen; das Fahrrad fährt nicht mehr so richtig;
eingeschränkter Komfort, dummerweise 300km von der Zivilisation entfernt.
Zunächst aber läuft alles
super, ich bekomme um 08:10h einen Kaffee von einem mürrischen Inhaber der
Rocky Mountain Lodge, keinen Km von meinem letzten Lager entfernt serviert.
Natürlich nahm er das auch nicht so genau mit dem Tax und so erhöht sich der
stolze Preis beim Bezahlen plötzlich noch einmal um +Tax. Sei’s drum.
Das Wetter ist herrlich, der
Wind steht gut und ziemlich bald danach entdecke ich einen T2 mit kalifornischem
Kennzeichen. Der Kultbus hier in der Wildnis. Der Bus gehört Sabine und Peter,
die ursprünglich aus Köln stammen und zur Zeit gerade auf dem Rückweg von
Alaska sind. In drei Tagen wollen sie in Vancouver sein. Erste Frage natürlich,
ob sie überhaupt mit dem T2 die Berge hochkommen, doch, das geht, aber langsam.
Etliche Bären, Wölfe und Elche haben die beiden gesehen und die Natur soll sich
noch einmal deutlich verändern. Hier wäre das ja nur so etwas wie zwischen
Eiffel und Schwarzwald nur eben größer, meint Peter sehr salopp. Nur ein wenig größer
eben.
Wir unterhalten uns angeregt
eine ganze Weile und ich beginne mir Sorgen zu machen, heute muss das Tagesziel
in Muncho Lake erreicht werden. Der Weg ist noch weit.
Die Aussicht an diesem Tag
ist unbeschreiblich, entweder treffe ich Leute oder fotografiere, so richtig komme
ich nicht an diesem Tag voran. Im Kootenay NP habe ich noch Eintritt für diese
Aussichten gezahlt, auf dem Alaska Highway gibt’s das alles gratis und
teilweise viel imposanter. Reine Geldschneiderei.
Der Alaska Highway scheint
auch eine dunkle Schattenseite der verlassenen Motels zu haben. Schon wieder
fahre ich an einer aufgegeben Gazolin Station vorbei, McDonalds Motel - wieder
alles großflächig zerstört und dem Umweltfrevel preisgegeben. Auch hier scheint
keiner mehr zu wohnen. Irgendwann in den Nuller-Jahren um 2006 kam das Ende für
diese Station.
Nach 37km dann Toad River
Lodge. Eigentlich will ich Lebensmittel einkaufen, so bejahte das VisitorCenter
meine exakte Frage.
For buying food, leider wird jedoch schnell klar, das man zwar Essen bestellen kann, aber Lebensmittel selber gibt es nicht und auch Muncho Lake hätte sicher nichts vorrätig.
For buying food, leider wird jedoch schnell klar, das man zwar Essen bestellen kann, aber Lebensmittel selber gibt es nicht und auch Muncho Lake hätte sicher nichts vorrätig.
Na nun wird’s bunt, dabei
hatte ich doch extra gefragt und erzählt ich könne eben nicht alles von Anfang
an für 6 Tage mitschleppen. Überhaupt kein Problem, unterwegs alles möglich.
In diesem Land ist sowieso
nie irgendwann etwas ein Problem, weil sich die Tourifritzen eben auch
überhaupt nicht in die Lage der Biker hinein versetzen können. Immerhin gibt es
reichlich Trinkwasser.
Nach einem Kaffee bin ich
wieder auf der Strasse und dann passiert der GAU. Die Kette springt, und es
gibt einen ziemlich Krach, als wenn die Kette nicht mehr durchlaufen will, sobald
ich aufhöre zu treten. Diagnose nach weniger als 3 Sekunden, Freilauf am Ende.
In Poplars Motel, keine 5km
weiter Bestätigung des Desasters, was auch immer der Grund ist, der Kranz sitzt
bombenfest, die Pedalen drehen mit und unbetätigte Beine auf den Pedalen
bringen die durchlaufende Kette in Schwierigkeiten. Und nu?
300km vor Watson Lake,
mitten in der Wildnis - ich bin hochfrustriert. Seit dem ich hier in Kanada bin,
habe ich einige technische Probleme, die ich auf allen Reisen bisher nicht
kannte. In meinem ganzen Leben hatte ich noch keine Probleme mit irgendeinem
Freilauf. Und wir haben wirklich einige Räder zu Hause. Ich entferne den Kranz,
aber die Aufnahme ist bombenfest. Antirostspray. Nix dreht sich. Super!!!
Ich kann es nicht fassen. Ich
will es nicht glauben, wieso muss so was passieren,? abgesehen davon, wieso
muss das hier passieren?
Und während ich da so stehe und eigentlich nicht weiß, was nun zu tun ist, kommen zwei Radler dazu; Samuel aus Marseille mit seinem Liegerad und Hideo aus Japan.
Beide voll beeindruckt und genervt von den schwierigen Bergpassagen gleichermaßen. Leider kann keiner der beiden helfen. Es bleibt für ein Gespräch keine Zeit, weil ich die ganze Zeit am Rad hantiere, während sich die beiden über die schwierigen Anstiege unterhalten.
Tage später finde ich im web eine Anleitung über den Umgang mit dem Freilauf. Ich könnte mich amüsieren, wie ichtatsächlich geglaubt habe, ich mach das mal eben schnell so im Gras. lol Veloagenda Werkstatt Freilauf
Das geflügelte Wort eines
Mediziners meiner Abteilung, ich könnte
Kotzen im Strahl als Ausdruck höchster Gereiztheit liegt mir auf der Zunge. Wildnis,
300km entfernt vom nächsten Radladen, ganz zu schweigen davon, dass der Verkäufer
auch erst mal so was da haben muss.
Welch’ein böses Omen am
heutigen Morgen, als Peter von einem Radfahrer berichtete, dem die Schaltung verreckt
war und der nur noch im 14. Gang fahren konnte; na, der hat die Berge
hochgeschoben, aber Kerl!
Watson Lake oder Fort
Nelson?
Man kann auch ohne Freilauf
fahren, es erfordert nur eine gewisse Koordination. Beginnt das Rad schneller
zu laufen, muss man entweder schneller mittreten oder blitzschnell beide Füße
auf den vorderen Gepäcktaschen abstellen. Bei diesen Abfahrten mit Tempo 50km/h
ist die Idee, die Füße von den Pedalen zu nehmen, die bessere Alternative.
Trotzdem ich bin satt, bin richtig
in Fahrt und hadere mit diesen technischen Problemen.
Ellinor wird später wieder
sagen, das ist eben das Abenteuer, aber nein, das will ich so nicht, jedenfalls
jetzt noch nicht. Ich will mich verausgaben, wenn es sein muss auch Tage lang,
aber auf das Material muss schon Verlass sein und das ist es eben nicht.
Hätte ich bloß mein altes Herkules genommen. Immer verlässlich, immer gutmütig, aber ich musste mich ja XT10fach einlassen. Keep it simple.
Hätte ich bloß mein altes Herkules genommen. Immer verlässlich, immer gutmütig, aber ich musste mich ja XT10fach einlassen. Keep it simple.
Ja stimmt, aber eben in
Europa und nicht hier, in diesem Fahrrad Entwicklungsland.
Dabei sind es gerade heute wirklich
wahnsinnig tolle Eindrücke. Die Bilderflut hört gar nicht wieder auf. Aber mir ist heute nicht mehr
nach Bilder.
Und dann kommt genau 17km
vor Muncho Lake auch noch ein extrem langer Anstieg auf mich zu. Genau da, wo
die Strasse, die lange flach am Fluss entlang führte, auf nord schwenkt.
Es ist heiß, es herrscht
kein Wind und der Anstieg ist mehr als 5km lang, was zunächst nicht so
aussieht, aber nach einigen Kurven der Weg länger und länger. Ein Doppel Whoppler. Der Puls schlägt oben an,
ich keuche und arbeite mich am Berg ab, während die Autos an mir vorbei ziehen.
Und dann hat irgendeine
degenerierte, dummdreist lächelnde Amerikanerin aus Wisconsin keine anderen
Probleme, als noch mal den Fotoapparat zu zücken. Wie im Zoo.
Sitzen in ihrem bequemen
Safari Karren mit ihrem KaffeeMug und in Ermangelung von Bären und Elchen
fotografieren sie eben den mit dem Berg kämpfenden Radfahrer. Was geht in
solchen Leuten vor? Hier, guckt Euch den mal an, wie der schwitzt oder was?
Genau das ist der Moment,
den ich brauche, an diesem Tag und es wird plötzlich sehr laut und politisch
inkorrekt auf dem Highway. Ein fürchterliches Volk.
Dann allerdings beginnt die
Abfahrt, gute 7km, Füße auf die Satteltaschen und zu Tal. Vergessen die
Anstrengung der letzten 30min, Augen auf für eine Liegewiese mit
Flussanschluss.
Morgen kommt das Highlight
der Strecke, diesmal hoffentlich im positiven Sinne.
Danach, kann mich gerne ein
Pferdeanhänger hops nehmen.
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