455 Km bis zum nächsten Fahrradladen |
Sa.,28.6. (Nachtrag)
Mit angebrochener Felge nach Whitehorse
Ich schlafe schlecht in der
Nacht, überlege viel, wie die Situation verbessert werden könnte.
Bin ich wirklich in einer
Sackgasse? Das es Verschleiß an Material geben würde, war irgendwie zu
erwarten. Ist das Material wirklich zu schnell verschlissen worden?
Fakt ist, diese canadischen Mäntel, die
ich jetzt fahre, haben keine besondere Härte, dazu kommt aber auch, das die fehlende oberste Schicht die Fahrbahndecke sehr rauh macht. Wie den Mantel mit einem
Reibeisen behandeln. Ich habe selbst den 5 Tage alten Mantel der schweren BMWEnduro
auf dem Berg gesehen. Die Schotterschicht setzt allen zu. Wahrscheinlich sind
so Frostaufbrüche des Winters schneller zu flicken.
Und die Felge ist an
mehreren Stellen eingerissen, das lässt sich einfach nicht übersehen.
Der nächste gute Radladen
befindet sich gut 450km weiter nördlich. Macht 900km wieder zurück nach Watson.
Alter Falter! Für eine Felge diese Strecke fahren, aber ursprünglich wollte ich ja
sowieso weiter nach Dawson.
Ich bin ein wenig
ernüchtert, um nicht zu sagen konsterniert. Dawson City ist nochmal deutlich
kleiner, als die zweitgrößte Stadt des Landes Watson Lake. Und in Watson Lake
ist nuscht. Das kann sich zwar durch den touristischen Faktor für Dawson noch
etwas verbessern, aber der Besuch in Niagara Falls hat ja deutlich gezeigt, was
zu erwarten wäre. Disneyland und Jahrmarkt.
Dafür also noch einmal eine
Strecke von 500km nördlich von Whitehorse fahren, dieselbe dann auch wieder
zurück, kann nicht gerade als grandiose Idee gewertet werden. Also ist Schluß in
Whitehorse. Die Hauptstadt der Provinz angucken und Vorbereitungen treffen für
den langen Weg nach Süden.
Ein kurzer Rast bei Michael in
Watson Lake, alles einsacken und dann über den Hwy 37, Stewart Cassiar Highway,
nach Vancouver.
Gleich nach Süden über den
Hwy 37, Whitehorse ausfallen lassen, den Yukon beenden mit einer kaputten Felge, ist auch keine
originelle Idee.
Alle anderen Ideen,
Greyhound&Co. sind auch nicht origineller. Und dann auch noch hoffen, das
keiner einen Fehler gemacht hat. Das ganze Ding unter Umständen umtauschen zu
müssen, ist mir einfach nicht vorstellbar.
Irgendwann komme ich auf die
Idee einen Teil der Ausrüstung einfach bei Michael in Watson zu deponieren und nur
mit den Essentials nach Whitehorse zu fahren. Die Flugtüten vollmachen mit dem
ganzen Krempel, den ich im Norden nicht brauche.
Yeah, das Gehirn arbeitet
zwar langsam, aber doch produktiv. Das ist es. Morgen um 6:00h werde ich in die
Pferdebox gehen und die ganzen Sachen sortieren. Bleibt die Frage ob und wie
lange die Felge hält auf dem Weg nach Whitehorse hält.
Für Michael war die Sache
gestern Abend ganz einfach, ach, stell’ Dich
einfach an die Strasse, die nehmen Dich sofort mit, hab’ ich noch nie gehört,
das es Probleme gab.
Na, soviel Verkehr war bis
Watson eigentlich nicht. Aber jetzt kommt ja noch der Verkehr über den besagten
37er dazu, direkte schnelle Verbindung Seattle-Vancouver-Watson Lake.
Also zocken wir ein wenig,
450km, das macht bei wenig Gepäck 3-4 Tage. Wenn alles gut geht. Trotzdem
schlafe ich schlecht und die Mückenstiche machen mich rasent. Ich habe durch
die Juckerei inzwischen einige entzündlich wirkende Dellen an den Beinen und
die Sprunggelenke sind ziemlich geschwollen.
Um 7:00h verschlafe ich dann doch; als ich mich mühsam zum Kaffeekocher schleppe, ist die halbe Lodge schon auf den Beinen, was ist denn mit denen los? Ich bin der letzte. Skype mit Ellinor ist jetzt wichtiger, was sagt die Chefin dazu?
Hugo aus Antwerpen |
Dann allerdings, nach gefühlt
40km ist es mit der Veteranenehre vorbei, vor meinen Augen wechselt die Strasse
plötzlich von grob poliert in eine übelste, staubige Schotterstrecke. Es liegt
nicht nur viel Gravel an den sonst mir vorbehaltenen Abschnitten, bergeweise
Schotter, nein, die Trucks und RV’s fegen durch diese Strasse, das die Sicht immer
wieder kruzfristig unter 10m sinkt. Und ich habe meine Warnweste nun in Watson
liegen.
Das macht mir Angst,
hoffenlich sehen die mich rechtzeitig.
Ich kann das nicht
begreifen, nicht 3km oder 10km, nein, mehrere 10km, und alle finden das völlig
normal. Sind die hier im Yukon irre, muss das so sein? 30-40km staubige Piste.
Schotter fliegt Dir um die Ohren, knallt gegen die Schienbeine, wenn die 60to
Trucks an Dir vorbei rasen, danach steht Du in einem Sandsturm. Der Kiefer
mahlt die Staubkörner.
Mir ist das all die Jahre im Baltikum begegnet, aber da kam mal ein Holzlaster, mal ein Lada Niva; hier ist das die wichtigste Nordsüd Verbindung zwischen Alaska und dem Rest der Welt. Irre, einfach irre. Okay, es heißt the last frontier, I survive the Alaska Highway, bald glaube ich das für mich wirklich. Herrjeh.
Mir ist das all die Jahre im Baltikum begegnet, aber da kam mal ein Holzlaster, mal ein Lada Niva; hier ist das die wichtigste Nordsüd Verbindung zwischen Alaska und dem Rest der Welt. Irre, einfach irre. Okay, es heißt the last frontier, I survive the Alaska Highway, bald glaube ich das für mich wirklich. Herrjeh.
Also der Abschnitt ist nun
wirklich keine Heldenehre, das ist eher eine Beleidigung.
Und mittendrin in der
staubigen Welt ein PP Campground. Wie romantisch. 20$. Ich glaub’ es hackt.
Und mittendrin Hugo aus
Antwerpen, er ist in Whitehorse gestartet und will nach Süden, einfach nach Süden,
nach Südamerika. Macht ein wenig einen zu abgeklärten Eindruck, ein bißchen
zuviel Stiff upper lips, findet diese Strecken reizvoll und die Unterversorgung
völlig normal. Eher der Typ, ich komme überall an und es gefällt mir, Hauptsache
dagewesen. Vorallem aber ist er
vollständig irritiert, als ich sage ich habe noch Baggage in Watson Lake zurück
gelassen, was? Noch mehr?
Ne, das ist nicht meine
Liga.
Das ich zuviel mit mir herum
schleppe, weiß ich auch selbst , da muss man mich nicht ständig belehren. Die Frage ist
eher, wie werde ich es wieder los.
Bremsentag ist heute. Horseflies. Große
Beißfliegen bevölkern den Highway, ich kann ihnen nicht entgehen, sie fliegen
schneller, als ich fahren kann auf gerader strecke. Als Kinder nannten wir sie Pferdebremsen, ich
weiß nicht einmal, wie der richtige Name dieser B52-Beißer ist. Setzen sich auf
die Haut und hinterlassen blutige Punkte. Zack.
Irgendwie merken diese
ganzen Beißer anscheinend, das Schlechtwetter bevorsteht. Jedenfalls zieht es
sich immer mehr zu und die Biester werden immer aufdringlicher. Gegen 17:45h
ist dann endlich soweit, 40% Regenwahrscheinlichkeit sind da und es gibt ein
richtiges Gewitter im Gebirge. Um mal wieder einen Klassiker zu bringen, Eichen sollst Du weichen, Buchen sollst Du
suchen, gibt’s beides nicht, hier aber stehen nur Koniferen. Und ich mitten drin, als nur dabei.
100 Leute werden jedes Jahr statistisch betrachtet in Deutschland im Freien vom Blitz getroffen. Was willste machen? Dich mit dem Fahrrad in Graben legen? Bleibt nur zu hoffen, das es in Kanada statistisch weniger sind. Mehrfach kann ich den Blitz direkt sehen, aber die Einschläge sind in den umliegenden Bergen zu hören.
Dann folgt der Nachregen. Nach 2h Regenfahrt tatsächlich eine Pause mit Kaffee auf dem Rastplatz Rancheria Motel. Bis zum Recreationalpark mit Picnicshelter sind es immer noch 15km. Picnicshelter heißt in Canada zugiges Holzhaus mit Dach und offenen Wänden.
Es gibt keine Chance gegenüber den Mücken. Und es sind mal wieder so viele Mücken da, das ich umziehen muß in mein Zelt.
135km am ersten Tag, damit ist
das Tagesziel gut erreicht. Morgen vielleicht etwas mehr.