tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Donnerstag, 3. Juli 2014

Whitehorse-Ankunft

Jake's Corner

Di.,1.7.
Canada Day
Ich sag’s nicht gern, aber ich hab gefroren und musste mal ganz schnell um 3:00h morgens den Schlafsack zuziehen, anders als in den letzten Tagen wurde es heute Nacht richtig kalt. Gegen 07:00h ist der Spuk vorbei und die Sonne strahlt herrlich warm.
Die Mücken halten sich stark in Grenzen und kann man heute sogar ungeschützt einige Minuten im Freien stehen.
Bis zu Jake’s Corner sind es nur 15km, ein kleiner Warmmacher für den Kaffee.
Es geht sogar meist bergab. Doch dann werden aus 15km immer mehr und Jake erscheint nicht.
Als Ich endlich auf den Tankstellenhof rolle, wirkt die Szenerie seltsam still. Oh ne, nicht schon wieder. Alle Türen abgeschlossen, bei genauerem hinsehen, ist die Passage Kaffee, Restaurant, etc. im Druck geblasst worden. Ich gehe hinüber zum Zapfsäuleninsel.
Na hoffentlich ist noch jemand da

Eine ältere Frau sitzt mit ihrem Sudoku Heft und schaut kaum auf. Ist wirklich alles zu? Ja, schon seit einem Jahr, aber ich habe doch Schilder auf dem Highway gesehen? 

Was kann ich dafür, das sie die Schilder nicht wegnehmen.
100:1 in Polen wäre es möglich gewesen einen Kaffee zu bekommen, zumindest vor einigen Jahren noch. Hier, herrscht nur verbitterte Apathie. Das Gelände steht zum Verkauf. 12 Acres, gute 5 Hektar und sie finden auch keinen, der es mieten will.

Es hilft nichts, sie will in ihrem Sudoku nicht unterbrochen werden und jetzt spontan einfach einen Kaffee anzubieten, ist auch nicht ihr Ding.
Ich verlasse die trostlose Szene. Tanken nur bei eigener Befüllung, mehr Angebot gibt es nicht mehr in der langen Geschichte der Raststätte Jakes Corner.
Also wieder 110km ohne irgendeinen Support. Mit dem Auto ist es gut 1 Stunde Fahrzeit, den Rest hatten wir schon. Wer braucht da einen Kaffee in Jakes Corner, wenn Whitehorse sogar ein TwoTim Town ist, das heißt gleich zwei Stores im Ort vorhanden sind.

Meine Motivation sinkt ins unterirdische. Dazu die stärker werden Schmerzen beim Bewegen der rechten Hüfte. Links geht das nun auch los. Ich brauch’ einfach mal ne Pause.
Aber immer nehme ich mir vor nicht abzubrechen, ich will Whitehorse mit dem Fahrrad erreichen.
die canadische Antwort auf den russischen GAZ
Whitehorse, der nördlichste Punkt meiner Reise. Insgeheim will ich in den Süden. Natürlich macht das voll Spaß ohne großen Verkehr auf dem Highway einsam herumzugondeln, aber einen Hauch von bezahlbarem Luxus hätte ich dann doch gerne.
Ohne große Pausen erreiche ich die Vororte von Whitehorse. Das erste Begrüßungsschild kommt bei 20km vorher. Von da an geht es eigentlich nur noch bergab, mir wird klar, warum Tamekano als erstes nach downhill fragte. Sollte mein Plan nicht aufgehen, steht mir das auch bevor. Ich habe mir längst vorgenommen, nicht dieselbe Strecke zurück zu fahren.
SS Klondike
Nach 20km Whitehorse wird die Sache ernster. Inzwischen habe ich ein halbes Dutzend RV Plätze, einige Tankstelle und einige Motels passiert. Nun teilt sich der Highway und das Schild City Center taucht auf. In einer 5 km langen Abfahrt erreiche ich den Ortskern und rolle beim letzten originalen Yukon Schaufelraddampfer aus. Ein sogenannter Sternwheeler, also die Antriebsräder am Heck. Die MS Klondike,1921 gebaut, befuhr den Yukon von hier bis nach Dawson City in einer wechselvollen Geschichte, seit… ist sie ein nationales Monument. SS Klondike wiki Link
Whitehorse 1914
Heute ist Canada day, nationaler Feiertag, das merkt man deutlich, die Strassen sind voll,  die Menschen sind in den Parks. Bei der Unruhe ist es etwas schwierig einen Platz für die Nacht zu finden und wieder hinaus, vor die Stadt, den berg herauf will ich heute nicht mehr. Die erste Station ist das Visitor Center, man merkt, man ist in der Hauptstadt der Provinz, alles ist deutlich größer, üppiger als in der zweitgrößten Stadt Watson Lake. Watson wirken da eher wie die armen Vettern hinter den Bergen. Man ist sehr bemüht und offeriert kostenlos unbegrenzt wifi, es scheitert aber an zweierlei Dingen, erstens scheint das Visitor Center auch Treffpunkt von eher hilfsbedürftigen Personen zu sein und deshalb möchte ich das Rad in diesem Fall nicht unbeaufsichtigt lassen und zweitens haben auch andere Gäste die Idee kurz mal ins Netz zu
schauen. 




Auf dem Weg zum endgültigen Ruheplatz 1965

Ergo, es ist immer das gleiche Problem, es dauert zu lange.

Einzige Hiobs Botschaft an diesem Tag, die Schwimmhalle befindet sich bergan am anderen Ende des Ortes. Also morgen als erstes einmal kräftig in die Pedale treten. Ansonsten ist alles leicht zu finden, Bücherei, 24h Horton und Walmart, der aber wieder mal geplündert aussieht. Es ist keinesfalls so, dass ich 3min vor Ladenschluss komme, aber die Lebensmittelabteilung sieht vorsichtig ausgedrückt nach begrenztem Sortiment aus.
Draußen auf dem riesigen Platz stauen sich die Camper. Es gilt aus Geheimtip und Campern, dass man einfach mit dem Ladenleiter sprechen muss und schon hat man einen kostenlosen Overnight Parking place. Das hilft mir freilich gar nicht, es sei denn sie spendieren einen Bohrhammer und einige Dübel.
Ron, Politiker der First Nation
Mit einem Sack voll Essen auf dem Heck trolle ich zu Tim. Yeah, Kaffee zu einem lustvollem Preis, 110V plugin und wifi, dazu Ledersessel und, das gibt’s nur in den modernen Läden, Pseudokamin mit Flackerlicht. Wegen der Athmo.
Und während ich da sitze spricht mich Ron von hinten an. 
Eigentlich will ich nur Kaffee, wifi und Ruhe und doch drehe ich mich um und entdecke, Ron ist Angehöriger der First Nation.Und dabei politisch engaggiert. Ich frage ihn, ob er auch Canada Day gefeiert hat. Nein sagt er, das ist für uns kein Feiertag und damit kommt es zu einem der spannensten Gespräche über die Situation der First Nation in Canada. In der Sicht der First Nation bedeuten nämlich die vielen erreichten Ergebnisse im gemeinsamen Zusammenleben längst nicht viel. Und unter der Oberfläche herrscht auf beiden Seiten eine große Unzufriedenheit über die jeweils andere Seite.  
Sie geben uns unsere Checks, aber wirklich anerkennen tun sie uns nicht, immer müssen wir um alles betteln.
 Die Bildungschancen seien für die First People ungleich schwieriger, als für die Weißen sagt er und damit ist klar, Bildung ist der Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg.
Ich habe in Ft. Nelson mehrfach First Nation gesehen, vorsichtig ausgedrückt, unsauber gekleidet, mit einem gewissen Alkohol Flavour, sicher ein Zufall, keinesfalls zu verallgemeinern. Und hinter Watson bin ich durch eine First Nation Community gefahren. Viele Leute in jungem Alter auf der Strasse. Die Häuser bweußt sehr einfach.
Jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke kommen mir die Roma in Tschechien und Slowakia in den Sinn, die ich in teilweise bizarren Lebensverhältnissen nur wenige Querstrassen abseits der weißen Bevölkerung beoabachtet habe. Parallelen drängen sich auf, auch wenn der Ursprung ein ganz anderer ist. Aber auch in Europa leben eben Menschen nur einen Steinwurf von den touristischen Zentren entfernt am Rande der Menschlichkeit und auch dort geben sich beide Seiten gegenseitig die Schuld für das jeweilige Scheitern.

Der Tag geht zu Ende. Ich genieße seit langem das Sitzen auf einer Parkbank am Yukon, jenem Fluß der schiffbar von hier bis nach Alaska führt und dort ins Polarmeer fließt. Kaum Mücken, ein wunderbarer Sonnenuntergang, ein Essen im Freien. Oh, wat scheun.