Der Spirit of Halloween |
Mein Mann Kent ist eine Maschine
Guerilla-Camper sind Frühaufsteher; keine weiteren Spuren hinterlassen und schon 07:00h mit dem ersten Tageslicht auf dem Rad; gute 4km zurück und hoffen das das Starbucks'sche wifi heute funktioniert.
Im Laden herrscht bereits Hochbetrieb. Innerhalb der 90min habe ich zwei Briefe geschrieben und das Hostel in San Francisco gebucht. Natürlich ist ein erhöhtes Risiko mit der Kreditkarte bei Starbucks rumzufuchteln, aber ich habe heute morgen keine andere Wahl. Wer weiß, wie sich der Tag heute entwickelt. Danach stadteinwärts der rushhour folgend, einen Safeway suchen.
Kürbiss mit Grabstein Deko verkauft sich besser |
San Francisco's heißer Atem, Marin County Source:www.mtc.ca.gov |
Steven, Director der catholischen Jugend |
Petaluma mit seinen knapp 60.000Einwohner hat deutlich mehr zu bieten als Santa Rosa und so bin ich eine ganze Zeit zu Fuß in der Stadt unterwegs.
Taya hatte die D-Street als Ausfallstrasse vorgeschlagen. Sie beginnt im Stadtkern und führt durch ein altes Villenviertel mit herrlichen bürgerlichen Wohnhäusern aus der Stadt heraus. Es ist unverkennbar, Halloween ist in unmittelbarer Nähe und mit 1-3Kürbissen ist es längst nicht mehr getan.
Wer hier etwas auf sich hält, greift gerne deutlich tiefe in die Dekokiste, Vorgärten werden mit Grabsteinen ausgestattet und mindestens ein Skelett ist ist Pflicht.
Petaluma |
In Deutschland betrachte ich diese Halloween Show eher als aufgesetzt, es wirkt in meinen Augen nicht authentisch.
Wenn der Vorgarten voller Grabsteine ist... |
...ist Halloween nicht mehr weit |
Wie ich später erfahren werde, baut der Nachbar meines nächsten Hosts gerade an einem haunted house, am ehesten mit Geisterhaus übersetzt, die halbe Gemeinde wird zu Halloween vor seinem Grundstück in Kostümen erscheinen, es gibt alles was Angst macht und der Eintritt fürs Gruseln wird wie anders zu erwarten donatet. Es ist ein Jammer, das ich an diesem Tag mitten in San Francisco bin, im Grunde müßte man das Treiben genau in einem solchen Quartier besuchen.
Die D-street endet abrupt, steigt dann scheinbar endlos ins baumlose Bergregion rund Petaluma. Schnell sind die letzten Häuser verchwunden, nur wenige Farmen bewirtschaften die kargen 300m Gebirgszüge im Westen der Stadt. Vornehmlich Viehzucht. Die Stadt ist bereits wenige Km später abgeschüttelt.
Wie in Nordamerika üblich sind die kleineren überregionalen Strassen nicht mit Hinweistafeln ausgeschildert. Die zweispurige, verkehrsame Chaussee führt nach Westen, erst 500m vor der jeweiligen Abfahrt erfolgt ein Ortshinweis.
Es ist eine beeindruckende, dürre Landschaft, ganz anders als ich vor gut einem Monat in Washington im Nebel landete, kaum den Hafen sehen konnte, war die Feuchtigkeit durch jede Kleidungnaht spürbar.
Der Sommer schien unsagbar weit entfernt und es erinnerte stark an typisch norddeutsche Novembertage, grau, diesig, neblig. Aber alles war von üppiger Vegetation. Jeden, den man ansprach und die Feuchtigkeit beklagte, sagte nur, hey, was willst du, ist halt Regenwald.
Nun ist ein deutlich anderes Bild, man kämpft um das Wasser, Regenwasser ist ein kostbares Gut, auf dem Grundstück von Kent stehen riesige Zisternen, allesamt angeschlossen an die Dachfallrohre. Es hat seit vielen Monaten nicht ausreichend geregnet. Jeder wartet sehnsüchtig auf Regen. Die großen Viehweiden sind allesamt braun, trocken, ausgedörrt.
Dürre am Novato Blvd |
Über den Novato Blvd errreiche ich über endlos scheinende Vororte mit den typischen Holzbungalows den kleinen Ort. Einen Kaffee bei McDonalds und dann das Haus von Kent gesucht, es liegt in der Olive Ave, der nach Osten in die Berge führende Ausfallstrasse. Der Ming Court führt ein wenig bergan und plötzlich stehe ich auf der Garagenauffahrt eines riesigen Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung. Mein Güte, wohnen hier 4 Familien gleichzeitig? Es schüchtert ein wenig ein.
Charlotte, Kent's Frau, die in meinem Alter ist, öffnet. Ein lebhafte Frau, es dauert keine 5 Sekunden und man fühlt sich pudelwohl. Jakob, der 21jährige Sohn wohnt noch zu Hause und ist mit seiner Freundin auch anwesend. Es ist ein unglaublich weitläufiges Haus. Spärlich möbliert, ein großer Pool ist im Hof.
190 Ming Court Kent's Haus |
Ich bekomme ein Zimmer, im Bereich des großen Eingangsbereichs mit eigenem Bad. Aber Du bist heute nicht allein, es kommt noch ein weiterer Warmshowers Nutzer. Kent arbeitet als Gynäkologe und Geburtshelfer in der Bay Area. Einer Spezialität des amerikanischen Gesundheitssystems zufolge hat er Verträge mit 4 größeren Krankenhäusern, inklusive Notaufnahme gleichzeitig. Und trotz seines Alters macht er mit 64 Jahren noch 8 Bereitschaftsdienste im Monat in den unterschiedlichen Häusern.
Kent's Nachbarn haben ebenfalls großzügig gebaut |
Als ich nach einem weiteren Stadtbesuch zurück bin, ist Pablo eingetroffen. Er stammt aus Santiago de Compostela, lebt aber seit 3Jahren als Fotograf in Shanghai und ist vor 2Monaten in New York City mit dem Fahrrad gestartet. Größere Strecken hat er mit der Eisenbahn unternommen.
Kent, the mashine |
Auch Kent, the mashine ist nun da, trotz seiner 64 Jahre, ich wünschte ich wäre 46...., ist kein Gramm Fett zu sehn.
Man sieht ihm sein Alter und den stressigen Berufsalltag nicht an. Er wirkt in sich ruhend. Bedauert höchstens, das er nicht soviel fahren konnte.
Er will nach Europa kommen, er will die Pyrenäen bereisen, hat Lust auf richtige Berge. Wieder ein Biker mit ganz anderen Ansprüchen als die, die ich schon traf. Aber auch er nutzt trotz seines guten Verdienstes warmshowers und ist ein echter Fan dieser Organisation.
Er hatte sich dort angemeldet und Charlotte erfuhr erst später durch Zufall von seienem Vorhaben und wie sie sagt, es war allein seine Idee und nun bin ich manchmal mit Kent's Herbergsgästen allein, während er im Hospital arbeitet.
Am Abend gibt es Chili, eines mit Soya zubereitet und ein zweites Chili für ihren Sohn, den ehemaligen Footballspieler, der real meat will.
Es gibt einiges zu planen. Inzwischen spürt man den heißen Atem San Francisco's. Die Bikestrecke abseits des 101er gehört zu einem Gesamt Bikekonzept, das aber noch unvollendet ist und in dieser Region nicht ganz so einfach ist.