tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Dienstag, 12. August 2014

Ankunft in Victoria

crosscanada 2014 ist am Ziel angekommen
Di.,12.8.
Und der Kolleg is 'ne Lady
Übernachtet man auf einem Hundeauslaufplatz, darf man sich nicht wundern, wenn die Schlaflosigkeit der Zwei -oder Vierbeiner dazu führt, das mindestens einer von beiden um 06:07h vor dem Zelt steht und Lärm macht. In diesem Fall beide, immerhin Frauchen wünscht freundlich good morning. Zeit zum Wecken, die nächsten spazierfreudigen Besucher kommen sowieso.
Ein Foto aus den 20er.Jahren des 20.JH Source: Trailerklärung Tafeln
Victoria. 25km stehen an. Reine Highwaystrecke. Bis in die 30er Jahre des letzten Jh. gab es allerdings eine Eisenbahn auf Vancouver Island, die Passagiere und Fracht in die nördliche Patricia Bay transportierte. Nach vielen Jahren im Dämmerschlaf ist die ehemalige Bahnstrecke zu einem Naherholungstrail umgebaut worden. Ab dem Fährhafen Swartz Bay kann man auf dem gutausgebauten, und vorallem flachen Trail bis nach Victoria pedalieren und im Anschluss noch weitere 55km ins Landesinnere auf dem Trail der galoppierenden Gans.
Entgegen allen sonstiges Gewohnheiten verzichte ich an diesem Morgen bewusst auf meinen geliebten Highway und entscheide mich für diesen Trail. 

Es ist eine angenehme Fahrt mitten durch die Natur, wenn gleich so viele Biker unterwegs sind, das es ganz ohne Konzentration nicht geht. An diesem Tag sehe ich mutmaßlich mehr Stadtbiker, als in den letzten Monaten zusammen.
Andreas aus Victoria
Oftmals passiert der Trial öffentliche Strassen, so das zumindest Autoverkehr in Erwägung gezogen werden muß. Erste Station ist der vermutlich kleinste Tim Hortons des Landes, untergebracht bei ESSO gegenüber dem Amerikaner. McDonald's leisten sich hier am Highway eine riesige, aufdringliche Filiale. Nein, dann lieber zu Tim.
Jenna
Danach kommt mir der erste Tourenbiker des Tages entgegen, Andreas, gebürtiger Offenbacher, der hier vor 12Jahren sesshaft wurde und als Schreiner in Victoria arbeitet.

Er will für einige Tage auf eine der vielen Inseln ausspannen. Deutlich hört man seine Badenser Mundart haschte und kannschte heraus. Die Gegend durch sehr hübsche Einfamilienhausgegenden geprägt, aber auch hier werden Strassen geteert und so braucht es auch Flaggenmännchen, bzw. korrekter, Flaggenweibchen. Jenna steht schon seit mehr als 1 Stunde auf ihrem  Posten mit sehr innovativem Schild.
schöner Wohnen am Trail

Und die Fahrt hätte sicher in den Ort problemloser geführt, wenn die typische, spärliche Ausschilderung an der Saanish Road nicht dazu geführt hätte, das ich vom Kurs abkomme, irgendwann keine Schilder mehr da sind und in 300m der HwyWegweiser zu erkennen war. 




das alte Empire läßt grüßen
Also gut, dann eben doch Hwy 17 und nach wenigen Minuten merkt man, hier ist Hauptstadt, hier herrscht Zeitdruck. Dreispurig ist der Highway pro Richtung, die Strasse ist voll und eng.
Nach wenigen Minuten habe ich die Orientierung verloren, es kann nur geradeaus gehen, wo ich eigentlich genau bin, weiß ich in dem Moment nicht. 

Mitfahren ist die Devise. Die Strasse bringt mich genau vor das VisitorCenter am alten Hafen. Hier herrscht ein Trubel, wie lange nicht erlebt. Touristen aus Saudi Arabien, Brasilien und Asien, Frauen in Burka, genauso wie hochgeschminkte indische Touristen. Es ist ein ungewohntes Bild nach vielen Tagen der Ruhe und Beschaulichkeit.
Niederländisches Glockenspiel, source:wikimapia.org

Und doch gibt es während ich am Hafen stehe eine akustistische Besonderheit. Da war doch was? Ich höre zuerst ganz leise, dann immer deutlicher durch den Autoverkehr hindurch ein Glockenspiel. Das erste Mal in Canada höre ich ein europäisch stimmendes Glockenspiel. Es ist das Geschenk der niederländischen Gemeinde in BC an Canada für seine Rolle bei der Befreiung der Niederlande im WWII. Königin Juliana hat es 1968 gegenüber des Parlamentsgebäudes eingeweiht. 62 wohltuend rührende Glocken, deren Klang über das alte Hafenbecken treibt. Straight to your heart. Für einen Moment fällt die ganze Tagesaktivität zusmmen. Es ist das erste Mal, seit ich unterwegs bin, das ich wieder ein Glockenspiel höre.

Victoria mit seinen 80.000 Einwohnern ist ein Touristenmagnet. Mit Karten entkomme ich dem Lärmpegel des VC und laufe Margarete und Alan in die Arme, sie wollen von hier die US Pacific Küste nach Süden fahren und stammen aus Köln. 
Maragrete und Alan wollen nach San Diego

Ein halbes Jahr haben sie sich Zeit genommen und sogar ihren Job dafür an den Nagel gehängt. Wir tauschen Adressen und blogsites aus

Das Fahrrad kann nicht gemeint sein
Nach einem längeren Gespräch ist es Zeit die Übernachtungsfrage zu klären, ich würde gerne im Ort bleiben, der Campingplatz ist aber gute 20km entfernt. Es bleibt auch heute nur die Illigalität. 
Ich fahre an den Strand im Süden der Stadt und entdecke die üblichen Zeichen, keine Fahrradfahren, kein Übernachten, kein zelten, keine Lagerfeuer, kein nix.

Doch dann entdecke ich einen Biker mit Rad auf einer Strandbank sitzend, da ich Zeit habe, kann ein Schwatz nicht schaden und ich gehe auf ihn zu reiche ihm die Hand, hi, I am Frank und der Biker sagt hi, Iam Antonia und erst da sehe ich Antonia ist eine ältere Lady, jede genauere Altersbeschreibung lehnt sie kategorisch ab. 
Antonia, 72jährig, in etwa, immer noch gut zu Rad

Wie alt ich bin, weiß ich nicht, da muß Du mal meine Kinder fragen, sagt die ca. 72jährige Lady, die heute aus den Lowlands bis hier an den Strand geradelt ist. Absoluter Respekt. Antonia, das glaubt mir ja doch keiner, heute Abend fährt sie zurück auf schmalen Reifen, Rennradprofil. 
Vor 10 Jahren hat sie neue Knie bekommen, Titanium my friend. Immer ist sie fahrradgefahren und während sie mir ihre Reiserouten in Deutschland aufzählt, fällt sie in den unüberhörbaren holländischen Dialekt. Oh mensch, jetzt wo ich Dir das erzähle, denke ich in meinem alten Dialekt, das tue ich sonst nie. Aber Antonia ist nicht zufrieden mit mir, my friend, was Du da alles am Rad hast, das macht doch keinen Spaß, da kann doch nicht gut sein? 
Party Strand
Und sagt es mit der Autorität eines alten Vollprofis, der keinen Widerspruch duldet. Ja, Antonia, ja aber...Was soll man sagen bei soviel Autorität. Ein vergnügliches Gespräch, die rasende Oma macht einer ganzen Menge Leute mal lässig was vor. Wir tauschen Adressen aus und dann geht's weiter.

Ich bin zurück in der Stadt und gehe meinen Lieblings-geschäften nach. 
Ein Besuch bei Value Village am Hafen, dem großen Gebrauchtkaufhaus, wie man inzwischen poltisch korrekt sagt. Der Laden brummt. Das Hauptangebot stellt Kleidung und es sieht am Nachmittag aus wie nach einer Schlacht, vieles liegt auf dem Boden, etliche Mitarbeiter versuchen mit Mühe eine grobe Ordnung aufrecht zu erhalten. 
Detailaufnahme

Hier kaufen nicht nur die Unterpriviligierten und Gescheiterten, ich sehe auch viele Leute, die über ein gutes Einkommen zu verfügen scheinen. Gucken und immer auf der Jagd sein nach dem Schnäppchen oder den hidden treasures, wie man hier liebevoll sagt. Donating in Canada, das persönliche Abgeben der aussortierten Kleidung ist hier Alltag. es fehlen die bei uns im Strassenbild allgegenwärtigen Kleidersammelboxen.
Beacon Hill größter Totem in Canada
Es gibt an diesem Tag immer wieder Gespräche an Strassenecken und irgendwann ist mir nach Ruhe und ich steuere Tim's Kaffeebude in der Blanshard Ave an.

Ich erlebe, wie ein Business Manager ein Gespräch mit dem Iphone am Nebentisch führt, mit dem Finger trommelt und wieder telefoniert. Angespanntheit. 

Und dann steht er auf, als wenn der Schalter umgelegt wird und er wendet sich mir zu, wohin des Weg, wie läufts so?, hi, my name is Phil,  als wenn ein Schalter umgelegt wird. 5min hat er Zeit und dann switch es erneut. Er schnappt sein Smartphone und eilt davon. Es ist eine dieser typischen Szenen, jeden Tag passieren sie, eine kurze Neugierde und dann ist es auch wieder vorbei und man sitzt da und fragt sich, waren sie wirklich interessiert? 
Beacon Hill, source: www.elections.bc.ca


Ich bin auf dem Weg zum Strand.  Antonia hatte mich gewarnt. Die Mounties würden den Strand kontrollieren, viele Jugendliche, mit Alkoholbedürfnissen, zu viele Drogen, wilde Partys. Also lieber gleich einen Bogen um den Strandabschnitt machen.
Beacon Hill heißt die kleine Erhebung, Auf dem Hügel stehen Kiefern, nicht von der Strasse einsehbar und doch ein wunderbar weiter Blick aufs Meer. 
Ein wunderbarer Platz, aber dann passiert ein GAU, eine Zeltstange bricht, ein Ermüdungsbruch. Von den vielen blödsinnigen Problemen dieser Reise, ist das nun das dämlichste Problem überhaupt. Wie und wo soll ich das reparieren lassen? 
Natürlich habe ich Hülsen dabei, aber besser wird die Sache auch nicht und in der Nacht zieht Sturm auf, der Wind treibt Wolken vom Pazific. 
Sollte Andreas doch recht haben, das der morgige Tag ins Wasser fällt? Es sah am Abend gar nicht danach aus. Aber die Sterne der letzten Tage sind verschwunden.