god bless America |
Kein Amerika bashing
Im Grunde ist mir Amerika gleichgültig, weder bin ich ein besonderer Fan, noch ein ausgesprochener Amerikahasser, es lag Wegesrand und ist ein Reiseland, das ich versuchte, in allen Facetten zu beobachten. Wenn überhaupt, empfinde ich Sympathie eher für Norwegen, Finnland oder das Baltikum.
Es gibt keine Unterschiede zwischen denen und uns, wir fahren die selben Autos, kaufen in den selben Stores, wir sprechen dieselbe Sprache...oft habe ich diese Sätze gehört, wenn ich meinen Gesprächspartnern in Canada von der weiteren Reiseroute und meinen Erwartungen erzählte. Wahrscheinlich war es die besondere, typische Form der kanadischen Höflichkeit ihren südlichen Nachbarn gegenüber, denn ich lernte bald, das es sehr wohl beträchtliche Unterschiede zwischen Ihnen und den Amerikanern gibt. Genauso wie es spürbare Unterschiede zwischen den Menschen in Washington, den Menschen Oregon und jenen in South California (SoCal) gibt.
Amerikaner sind ganz und gar nicht Amerikaner. Was natürlich auch keine atemberaubende Entdeckung ist, denn meine vergleichbare Strecke würde in Europa ungefähr zwischen Trondheim und Neapel liegen. Ein Land mit 300 Mio Einwohnern kann man nicht nicht als DIE... bezeichnen, sowas wirkt peinlich oberflächlich und und es wäre wahrscheinlich ratsam von einem Besuch von ronherein abzusehen. Aber dennoch.
Woran erkennt man also mit großer Wahrscheinlichkeit einen Kanadier in den USA? Ganz einfach, er sucht von sich aus das Gespräch. Wenn Pauschalurteile auch immer schwierig sind, so bleibt doch am Ende des Weges die Beobachtung , die Kanadier sind offenherziger, interessierter an ihren Mitmenschen. Je weiter ich die Westküste nach Süden fur, desto mehr verstärkte sich der Eindruck.
wonderful Oregon Coast |
Der Start war mehr als holperich. Das rauhe Amerika zeigte an der Grenze seine erste Wirkung. Amerika gab sich gar nicht erst die Mühe seinen bestehenden Ruf zu widerlegen.
Ich war nicht mal eine Stunde in Washington State und schon waren wichtige Vorurteile bestätigt, kurvte auf den Parkplatz des ersten Walmarts in Port Angles und werde angesprochen, nimm bloß dein Fahrrad mit hinein, das ist hier ist nicht Canada. Ich weiß nicht, wie oft ich in diesen zwei Monaten USA von anderen Kunden mit hektischen Armbewegungen aufgefordert wurden, ja nicht das Rad mit dem ganzen Zeug ausgerrechnet vor diesem Store unbeaufsichtig alleine zu lassen.
Inside Walmart sah ich am ersten, frühen Vormittag in den US mindestens 10 Personen, die vor der Waffenabteilung auf die Wummen gierten. Das Vorurteil von dem waffenstarrenden Volk, seinen abstrusen, laschen Gesetzen und der einfachen Möglichkeit eine handgun für deutlich weniger als den Preis eines gebrauchten Iphones zu bekommen war nach nicht einmal einer Stunde bestätigt.
Handguns in jeder Menge und preiswerter, als ein gebrauchtes Iphone 4 |
In Kelso/Longview betrat ich einige Tage später riesigen Store mit einem so umfassenenden Angebot an Wummen, das ich mehr aus Spaß zum Verkäufer sagte, show me the Dirty Harry gun.
Sie genossen die Frage und legten mir eine ganze Reihe schwere Pistolen in die Hand.
Natürlich sind das Einzelbetrachtungen. Amerikaner sind ungleich verschlossener, zurückhaltender, sie gleichen mehr uns Norddeutschen, es braucht viel mehr Zeit, die spontanen Kontakte an Strassenkreuzungen waren deutlich weniger oder wie Tom in Templeton es auf den Punkt brachte, wenn ich einen Fremden treffe, dann frage ich höchstens, wie er heißt und wo er herkommt, viel mehr will ich gar nicht wissen.
Und dennoch es gab sie, es waren Momente, die mich schier aus dem Sattel hauten, Menschen Steven in Petaluma, der einfach mal meine Baguette bezahlte oder andere, die spontan mich auf einen Kaffee einluden. Vereinzelt, aber doch jede Woche.
Aldi in den USA, Healthy Food |
Dazwischen liegen traumhafte Erlebnisse, die im nachhinein fast fiktiv klingen, so unglaublich aufregend waren sie. Ich nahm als unbekannter Gast für eine kurze Zeit am Leben der Familien teil und bekam einen Einblick in amerikanische Familien, die so nie ein Tourist bekommen wird.
Ich betrat teilweise noble Häuser und begann mich fragen, wieviel Familien hier wohl wohnen.
Aber es schien auch immer das normalste Weise zu sein, hier ist dein Bett, da dein Bad, brauchst Handtücher, wie wärst mit einer Waschmaschine, wir essen in zwei Stunden, you are more than welcome....
Ich genoß die Großzügigkeit vieler wohlhabender Menschen, und stand doch oft mit leeren Händen da, ich war wie meine Gastgeber selbst einfach nur ein Fahrradfahrer, das genügte.
Es war aufregendste Zeit in Amerika und sie startete ohnehin erst, nachdem ich meinen Warmshower Account wieder entdeckt hatte. Es kam zu den oft intensiven Gesprächen in den Wohnzimmern meiner Gastgeber.
Ich hatte eine mentale Schwächephase, dachte über darüber nach, wie weit ich noch alleine fahren könnte. Es war kein Heinweh, kein homesick, wie sie es nennen, aber ich fühlte mich in Crescent City müde und leer.
Als Ellinor während des tägliche Skype in dem abgewirtschafteten Motel die berührenden Worte sprach, ....ich könnte mir gut vorstellen, du wärst Weihnachten zu Hause..[..}, war es zugleich der Beginn des Endes der Reise.
Zwei Tage später übernachtete ich in der Presbyterian St. Paul Church mit 13 Langstreckenridern und haderte mit der Entscheidung. Von da an bekam die Tour eine ganz andere Wendung. Rückblickend würde ich später sagen, vielleicht hatte ich zu früh aufgegeben.
Ich empfand es immer als großes Geschenk, das Ellinor in der frühen Phase nie nein sagte und ich hatte mir vorgenommen, würde sie bestimmte Termini benutzen, würde ich nicht diskutieren, ich würde umdrehen und alles spontan beenden. So geschah es dann später auch, obwohl in Crescent City der aufregendste Teil der Reise erst begann, was ich natürlich nicht ahnte.
Amerika, Californien ist ungleich aufregender als Canada. Während Canada mit der Herzlichkeit seiner Bewohner und der Natur punktet, sind canadische Städte ein Totalflop, es beginnt meist mit Walmart, danach Tim Hortons, dem Tire, de3m Männerladen, mehreren Motels. Zwei, drei Tankstellen, viel mehr ist nicht; zu sehen ist freilich wenig. Viele canadische Städte sehen so aus. Ich kann mich an keine Stadt westwärts von Toronto außer Victoria und Whitehorse erinnern, in die ich erneut spontan reisen wollen würde.
das Standartschild vor Supermärkten und Cafe's, herumlungern is nicht |
San Francisco war sicher einer der Höhepunkte der Reise, die Stadt ist gerade im Oktober ein absoluter Kracher. Ich erinnere mich an den Schweden aus San Diego, der mir im Hostel sagte, mann ist das kalt hier, während ich mit kurzer Hose durch die Strassen rannte. Ja, komm erstmal nach LA oder besser nach San Diego. Ich hatte mich spontan in die Stadt verliebt und war zugleich geschockt über den Stadtteil Tenderloin gleich neben meinem Hotel, nie zuvor hatte ich soviele homeless people gesehen. Aber ich besuchte auch die Glide Church und Chinatown. Der Selten hat mich Gottesdienst so angefasst, wie der denkwürdige Sonntagmorgen in der altehrwürdigen Glide Methodist Church in Taylor Street, Tenderloin.
allgegenwärtig im Süden Californiens, Menschen die sich auf der Strasse eingerichtet haben. |
Ich hatte eine romantische Vorstellung, wie ich die letzten Tage am Strand verbringen wollen würde. Es kam anders. Heute würde ich jedem, der mich fragt sagen, LA? Nicht absteigen, einmal Luft holen und gleich durchfahren. Santa Monica, dieser künstlich, noble angehauchte Strandort bietet ausser Shopping und seinen grossartigen Stränden nichts. Beverly Hills, east Hollywood alles mehr als 30km entfernt, dazwischen nichts als Outback. Alles Kulisse. Ausser vielleicht 2 Tage LA Downtown.
Ich muß immer noch lachen, wenn ich mich an die Gesichtsausdrücke erinne, wo warst Du?, was Du hast du da gewollst? Da gehörst du nicht hin, das ist nichts für dich! Compton, Hawthorne, Inglewood, East Central, Crenshaw und viele mehr. 12 Mio Einwohner, in einer Ausdehnung von mindestens 75x45km.
Ich habe einiger dieser Stadtteile besucht, Ghettos, oder wie einer meiner Hosts mit deutlicher Warnung sagte stay out of these pretty shitty areas, tagsüber und abends zurück in den stillen Canyon der weissen Welt. Malky und sein defekter RV am Pumpwerk.
Santa Monica und Venice Beach waren Bay Watch Drehorte |
Es ist immer mein Wunsch, mehr von einem Land als die typischen Hochglanzspots zu sehen. Alles. Zwischen Malibu Beach und Tenderloin
Das was die Werbeprospekte z. B. für Greater LA eher ausblenden.
Mir steht es nicht zu, etwas zu kritisieren, jeder Amerikaner würde zu recht fragen, was ist denn bei Euch in Europa los? schau' doch mal da oder hier. Und mir fällt eine Menge dazu ein, auch in Deutschland.
Und doch bin ich über die Größe der slumähnlichen Verhältnisse in den Großstädten wie zuletzt in LA Skid Row entsetzt; es war vor meiner Reise jenseits jeder Vorstellungskraft. Ist das das Amerika, das die Welt beeinflusst? So in der Vergangenheit geprägt hast?
Tatsache ist, das in Amerika unter Umständen die Gesellschaft viel weiter, noch stärker gespalten ist, als es mir vorstellbar war. Ich bin durch Siedlungen gefahren, die mit hohen Mauern umgeben sind und wo bewaffnete Wachposten am beschrankten Eingang stehen, gleichzeitig sah ich ganze Zeltstädte auf dem Trottoir, Menschen so zahlreich, die auf Fußwegen schliefen, keine 10km weiter. Und das keine 800 vom LA Businesse district entfernt.
Noch immer muß ich über die junge Frau schmunzeln, die mir eine McDonald Tüte in Santa Monica neben das Fahrrad stellte.
Iam not poor!
Aber ich habe auch eine Gesellschaft gesehen, in der es völlig normal ist, Bettlern ein paar Dollars zu zustecken, obwohl man selbst nicht übermäßig reich wirkt. In der Volunteering und Donating eine großartige Rolle spielen und unter anderem Büchereien in kleinen Dörfer nur durch privates Engagement betrieben werden.
Ich habe großartige, großzügige Menschen getroffen, um ja nicht jemanden vergessen, sei nur Millison in Olympia erwähnt, der mich in sein Haus einlud und Neal, der mir das besondere Angebot machte, mit ihm nach
Las Vegas zu fahren und natürlich Brian und Gordon, mit denen ich noch lange Kontakt hielt.
Ich verabschiede mich von Euch allen, mir ist klar, ich werde Euch nicht wiedertreffen, doch versprochen, wann Euch der Weg in Richtung Europa Nordost treibt, denkt daran, wir erwarten Euch.
Oder wie ihr so gerne sagt, you more than welcome....