So., 2.11.
Glide
Sie war mir aufgefallen, seit ich das erste Mal durch Tenderloin gestreift bin und jedesmal wenn ich in diser Woche an ihr vorbei ging, waren die Tore verschlossen. Taylor Ecke Ellis steht sie, eine methodistische Kirche mit hohen Glockturm, gegennüber dem Hilton Hotel. Ein auffälliger Bau in den Strassen, in denen viele abgehalfterte Hotels stehen, in denen die Obdachlosen draußen auf der Strasse campieren. Wie ein Leuchtturm im Meer der Armut, wenn man den zugegeben abgegriffenen Ausdruck benutzen darf.
Ich hatte den festen Wunsch die Kirche von innen sehen zu wollen, aber es schien nie geöffnet zu sein. Meist lungerten homeless vor ihrem Eingang. Also gut, dann muß sie am Sonntag geöffnet haben, wenn sie noch überhaupt noch arbeitet.
So mache ich mich heute morgen auf zum Gottesdienst. Hätte ich mich informiert, wäre ich vielleicht vorbereitet, aber so ich eile die Treppe im Hostel herunter und wundere mich noch, das der Portier die Kirche ganz genau kennt. Jeder kennt die Glide Methodistchurch hier.
Wikipedia.org Glide Memorial Church
Und 5min später weiss ich auch warum. Als ich die Kirche erreiche sind die Tore auf und Gospelmusik dringt mir bereits von weitem entgegen. Ich erreiche den Eingang, komme in eine große Halle, dieTreppe hoch, immer weiter laufen ruft man mir ungefragt entgegen und dann stehe ich plötzlich im Gottesdienstraum. Es ist ein riesiger Raum mit Empore, nahezu völlig gefüllt, eine Band spielt, die Leute sind aufgestanden, klatschen und tanzen in den Bänken. Ich drehe mich um, entdecke die Band mit Bläsersektion, und einem gut 50 Personen großer Chor. Es ist wie auf einem großen Gospelkonzert.
Gottesdienst mitten in Tenderloin. Das Publikum ist völlig gemischt. So wie die Bewohner Tenderloins. Permanent ist ein Kommen und Gehen, nicht alle halten es lange im Gottesdienstraum auf.
Aber es braucht keine weitere 5min, dann wirkt diese spirituelle Stimmung total ansteckend auf mich. Dieser Gottesdienst folgt anderen Regeln, als ein Gottesdienst in Lübeck, St. Marien. Anstatt einer testamentlichen Lesung kommt es zu einem Zeugnis einer Person, die unbedarfte Menschen sofort als Transgender bezeichnen würden. Hautenge orange tights, wallendes rotblondes Haar, dunkler Hauttyp und mindestens 1,90m groß und erzählt aus ihrem Leben. Wie sich ihr Leben durch Glide verändert hat. Lautstark und fesselnd. Oh yeah Jesus, es herrscht Stille im Raum, die immer wieder durch Applaus unterbrochen wird. Glide, dieses Wort fällt nun häufig.
Danach wieder der Chor mit drei männlichen Solisten. Heja, das alte ehrwürdige Gemäuer scheint zu beben. Es hält die Leute nicht auf ihren Stühlen. Wieder stehen die Leute auf in den Bänken, die Musik rührt einen an.
Es folgt eine Pause und es erscheint eine Person im schwarzen Kostüm mit schwarzem Zorro Hut und der Langschnabel Maske der Pestdoktoren des Mittelalters. Es ist der Beginn der Predigt. Auch in Amerika wird Allerheiligen als All Saints day gedacht und in der Gemeinde gedenkt man den verstorbenen Gemeindemitgliedern. Sie werden in Form von Fotos im Anschluß an die Predigt über den Beamer eingeblendet. Auch ein Foto von Robin Williams ist dabei. Die Predigt ist kurz.
Es ist nicht ganz klar, ob ein Gebet die Ansprache beendet, das Vater Unser fehlt. In diesem Gottesdienst gibt es keine contemplative Stille wie in Taisè. Hier ist geballte Energie spürbar.
Und es wirkt autentisch. Es gibt einige Menge Menschen die in diesem Gottesdienst kamen. die auf der Strasse leben o der über eine lange Erfahrung mit Obdachlosigkeit verfügen.
Hier helfen eine hohlen Phrasen des Wohlstandschristentum, a la Joyce Meyer und ihrem schalen Bibelkanal, hier an dieser Ecke der Stadt, wo die homeless people an diesem Sonntag noch zu Beginn des Gottesdienstes auf der Strasse liegen, hier hilft nur praktische Basisarbeit. Die Leute dieser Gemeinde blicken jeden Sonntag dem Elend direkt ins Gesicht. Ich bleibe lange sitzen und spüre eine innere Begeisterung.
Danach leert sich der Saal. Glide.
Die Gottesdienstbesucher gehen.
Ich bleibe zurück und wandere durch das Haus. Es gibt einen improvisierten Kirchenkaffee, aber es kommt keine Ruhe auf. Die meisten verabschieden sich schnell und gehen.
Ich entdecke den über mehrere Stockwerke bestehenden Anbau neben dem eigentlichen Kirchentrakt, in dem von HIV/ HEP Schnelltests über Rechtshilfe Auskünfte bis hin zu einem praktischer Lebenshilfe alles geboten wird. Dreimal täglich wird eine Essenausgabe organisiert. Auch gibt es einen Flur in dem Frauen mit ihren Kindern Zuflucht finden können. Praktische Lebenshilfe da, wo sie am dringendsten in diser Stadt gebraucht wird.
Ich treffe Reverend Cecil Williams und er nimmt sich 5min Zeit für ein Gespräch.
Mitte der 60er Jahre haben sie sehr radikal ihre Kirche hier geändert. Die Kirche geöffnet, für die die weit am Rand der Gesellschaft stehen.
Zu einer Zeit als die meisten Hotels rund um das Gottesdienst vielleicht sogar noch funktionierten.
Der Glide Gottesdienst war großes Kino. Es ist ein betriebsames Haus. Es bleibt die Frage, wieviel Zeit der Reverend in der Woche bei allen Aufgaben für einzelne Gemeindemitglieder hat.
Ziemlich beeindruckt verlasse ich das Haus. Aber es gibt kritische Gedanken. Gerne hätte ich mehr erfahren über das Haus und deren Organisation. Aber dafür ist wenig Zeit, es gibt anscheinend auch niemanden, der neue Erstbesucher der Gemeinde am Gottesdienst empfängt. Das ist vielleicht die Kehrseite des Prinzips der offenen Türen.
In Deutschland gehört es mittlerweile zum guten Stil Besucher der Gemeinden zu Beginn des Gottesdienstes zu begrüßen und nach ihrer Herkunft zu fragen. Manchmal vielleicht mit einem zuviel an Nähe. Hier im Glide, fragt niemand. Zwar sind dutzende Menschen mit Walkie Takies und Westen in dem Gebäude dienstlich, aber hier fragt niemand wer Du bist, oder woher Du kommst.
Praktische Lebenshilfe und Offenheit ohne Ansehen der Person sind in diesem Viertel zunächst wichtiger, um den Leuten die Schwellenangst zu nehmen.
Glide.org
Im Hostel verstehe ich, wie Glide und Kirche zusammengehören. Es ist eben nicht einfach nur eine von vielen methodistischen Stadtkirchen hier in SF, nein, Glide ist eine Stiftung, die aus einer methodistischen Gemeinde enttand und die mittlerweise durchaus nationale Bekanntschaft erreicht hat und zu deren Fördermitgliedern unter anderem Bill Clinton und Oprah Winfrey gehören.
Und deren Chor und Band zu den besten Gospel Ensembles Amerikas gehören. Und sie waren auf der Trauerfeier für Robin Williams anwesend.
Dreht man sich in vor der Glide church um 180°herum erblickt man den 10 Stockwerke aufragenden Block des Hilton Hotels. Nur auf der anderen Strassenseite. Für 250$ im mittleren Preissegment. Genau eine Strasse trennt Armut und Reichtum.
Glide
Sie war mir aufgefallen, seit ich das erste Mal durch Tenderloin gestreift bin und jedesmal wenn ich in diser Woche an ihr vorbei ging, waren die Tore verschlossen. Taylor Ecke Ellis steht sie, eine methodistische Kirche mit hohen Glockturm, gegennüber dem Hilton Hotel. Ein auffälliger Bau in den Strassen, in denen viele abgehalfterte Hotels stehen, in denen die Obdachlosen draußen auf der Strasse campieren. Wie ein Leuchtturm im Meer der Armut, wenn man den zugegeben abgegriffenen Ausdruck benutzen darf.
Ich hatte den festen Wunsch die Kirche von innen sehen zu wollen, aber es schien nie geöffnet zu sein. Meist lungerten homeless vor ihrem Eingang. Also gut, dann muß sie am Sonntag geöffnet haben, wenn sie noch überhaupt noch arbeitet.
So mache ich mich heute morgen auf zum Gottesdienst. Hätte ich mich informiert, wäre ich vielleicht vorbereitet, aber so ich eile die Treppe im Hostel herunter und wundere mich noch, das der Portier die Kirche ganz genau kennt. Jeder kennt die Glide Methodistchurch hier.
Wikipedia.org Glide Memorial Church
Und 5min später weiss ich auch warum. Als ich die Kirche erreiche sind die Tore auf und Gospelmusik dringt mir bereits von weitem entgegen. Ich erreiche den Eingang, komme in eine große Halle, dieTreppe hoch, immer weiter laufen ruft man mir ungefragt entgegen und dann stehe ich plötzlich im Gottesdienstraum. Es ist ein riesiger Raum mit Empore, nahezu völlig gefüllt, eine Band spielt, die Leute sind aufgestanden, klatschen und tanzen in den Bänken. Ich drehe mich um, entdecke die Band mit Bläsersektion, und einem gut 50 Personen großer Chor. Es ist wie auf einem großen Gospelkonzert.
Gottesdienst mitten in Tenderloin. Das Publikum ist völlig gemischt. So wie die Bewohner Tenderloins. Permanent ist ein Kommen und Gehen, nicht alle halten es lange im Gottesdienstraum auf.
Aber es braucht keine weitere 5min, dann wirkt diese spirituelle Stimmung total ansteckend auf mich. Dieser Gottesdienst folgt anderen Regeln, als ein Gottesdienst in Lübeck, St. Marien. Anstatt einer testamentlichen Lesung kommt es zu einem Zeugnis einer Person, die unbedarfte Menschen sofort als Transgender bezeichnen würden. Hautenge orange tights, wallendes rotblondes Haar, dunkler Hauttyp und mindestens 1,90m groß und erzählt aus ihrem Leben. Wie sich ihr Leben durch Glide verändert hat. Lautstark und fesselnd. Oh yeah Jesus, es herrscht Stille im Raum, die immer wieder durch Applaus unterbrochen wird. Glide, dieses Wort fällt nun häufig.
Danach wieder der Chor mit drei männlichen Solisten. Heja, das alte ehrwürdige Gemäuer scheint zu beben. Es hält die Leute nicht auf ihren Stühlen. Wieder stehen die Leute auf in den Bänken, die Musik rührt einen an.
Es folgt eine Pause und es erscheint eine Person im schwarzen Kostüm mit schwarzem Zorro Hut und der Langschnabel Maske der Pestdoktoren des Mittelalters. Es ist der Beginn der Predigt. Auch in Amerika wird Allerheiligen als All Saints day gedacht und in der Gemeinde gedenkt man den verstorbenen Gemeindemitgliedern. Sie werden in Form von Fotos im Anschluß an die Predigt über den Beamer eingeblendet. Auch ein Foto von Robin Williams ist dabei. Die Predigt ist kurz.
Es ist nicht ganz klar, ob ein Gebet die Ansprache beendet, das Vater Unser fehlt. In diesem Gottesdienst gibt es keine contemplative Stille wie in Taisè. Hier ist geballte Energie spürbar.
Und es wirkt autentisch. Es gibt einige Menge Menschen die in diesem Gottesdienst kamen. die auf der Strasse leben o der über eine lange Erfahrung mit Obdachlosigkeit verfügen.
Hier helfen eine hohlen Phrasen des Wohlstandschristentum, a la Joyce Meyer und ihrem schalen Bibelkanal, hier an dieser Ecke der Stadt, wo die homeless people an diesem Sonntag noch zu Beginn des Gottesdienstes auf der Strasse liegen, hier hilft nur praktische Basisarbeit. Die Leute dieser Gemeinde blicken jeden Sonntag dem Elend direkt ins Gesicht. Ich bleibe lange sitzen und spüre eine innere Begeisterung.
Danach leert sich der Saal. Glide.
Die Gottesdienstbesucher gehen.
Ich bleibe zurück und wandere durch das Haus. Es gibt einen improvisierten Kirchenkaffee, aber es kommt keine Ruhe auf. Die meisten verabschieden sich schnell und gehen.
Ich entdecke den über mehrere Stockwerke bestehenden Anbau neben dem eigentlichen Kirchentrakt, in dem von HIV/ HEP Schnelltests über Rechtshilfe Auskünfte bis hin zu einem praktischer Lebenshilfe alles geboten wird. Dreimal täglich wird eine Essenausgabe organisiert. Auch gibt es einen Flur in dem Frauen mit ihren Kindern Zuflucht finden können. Praktische Lebenshilfe da, wo sie am dringendsten in diser Stadt gebraucht wird.
Ich treffe Reverend Cecil Williams und er nimmt sich 5min Zeit für ein Gespräch.
Mitte der 60er Jahre haben sie sehr radikal ihre Kirche hier geändert. Die Kirche geöffnet, für die die weit am Rand der Gesellschaft stehen.
Zu einer Zeit als die meisten Hotels rund um das Gottesdienst vielleicht sogar noch funktionierten.
Der Glide Gottesdienst war großes Kino. Es ist ein betriebsames Haus. Es bleibt die Frage, wieviel Zeit der Reverend in der Woche bei allen Aufgaben für einzelne Gemeindemitglieder hat.
Ziemlich beeindruckt verlasse ich das Haus. Aber es gibt kritische Gedanken. Gerne hätte ich mehr erfahren über das Haus und deren Organisation. Aber dafür ist wenig Zeit, es gibt anscheinend auch niemanden, der neue Erstbesucher der Gemeinde am Gottesdienst empfängt. Das ist vielleicht die Kehrseite des Prinzips der offenen Türen.
In Deutschland gehört es mittlerweile zum guten Stil Besucher der Gemeinden zu Beginn des Gottesdienstes zu begrüßen und nach ihrer Herkunft zu fragen. Manchmal vielleicht mit einem zuviel an Nähe. Hier im Glide, fragt niemand. Zwar sind dutzende Menschen mit Walkie Takies und Westen in dem Gebäude dienstlich, aber hier fragt niemand wer Du bist, oder woher Du kommst.
Praktische Lebenshilfe und Offenheit ohne Ansehen der Person sind in diesem Viertel zunächst wichtiger, um den Leuten die Schwellenangst zu nehmen.
Glide.org
Im Hostel verstehe ich, wie Glide und Kirche zusammengehören. Es ist eben nicht einfach nur eine von vielen methodistischen Stadtkirchen hier in SF, nein, Glide ist eine Stiftung, die aus einer methodistischen Gemeinde enttand und die mittlerweise durchaus nationale Bekanntschaft erreicht hat und zu deren Fördermitgliedern unter anderem Bill Clinton und Oprah Winfrey gehören.
Und deren Chor und Band zu den besten Gospel Ensembles Amerikas gehören. Und sie waren auf der Trauerfeier für Robin Williams anwesend.
Dreht man sich in vor der Glide church um 180°herum erblickt man den 10 Stockwerke aufragenden Block des Hilton Hotels. Nur auf der anderen Strassenseite. Für 250$ im mittleren Preissegment. Genau eine Strasse trennt Armut und Reichtum.