United Church goes electronic |
Gottesdienst mit Abendmahl
Es gibt eine kleine Nebensächlichkeit, die bei einem Besuch in Kanada erst mit einer gewissen Zeit auffällt. Gerade, wenn man aus einer mittelalterlich geprägten Stadt wie Lübeck stammt.
Zu den großen Erlebnissen in Lübeck gehört für mich ein Spaziergang am frühen Sonntagmorgen; dann wenn die Stadt noch schläft und die Straßen leer sind. Die Müllwerker beginnen dann mit ihrem Kampf gegen die Überreste und Hinterlassenschaften der nächtlichen Vandalen. Lübeck macht sich um 6:00h hübsch.
Und wir schlendern durch die einsamen, stillen Straßen erwartungsvoll in Richtung St.Marien, wo 08:00h mit ktraftvollem Geläut der Sonntag eingeläutet wird.
Hier in Kanada, in einem Land, in dem Walmart&Co. wie selbstverständlich am Sonntag um 07:00h die Tore öffnet, stellt man dann nach gewisser Zeit fest, stimmt! Es gibt keine Kirchenglocken. Dieses Land hat nun keine gothischen Gotteshäuser, die Kirchenbauten sind meisten klein, geduckt, oft aus Holz und Kirchentürme fehlen.
Natürlich ist das Geschmackssache. Aber es zaubert einem ein Lächeln ins Gesicht, wenn man wie beschrieben, Victoria erreicht und nach 5Monaten Anwesenheit in disem Land das erste Mal ein Glockenspiel hört.
Rod ist Mitglied der United Church of Canada und Sonntagmorgen ist für ihn selbstverständlich Gottesdienstzeit.
Die United ist der Zusammenschluß, United Church of Canada, vierer ursprünglich bis 1925 eigenständigen Kirchen. Unter anderem der Methodist Church of Canada, der Kirche, der ich inmitten meines ziemlich säkularisierten Lebens religiös immer noch am verbunden fühle. Damit ist seit gestern auch die lange bestehende Frage geklärt, warum ich zwar die baptistischen und anglikanischen Brüder permanent entdecke, aber die Methodisten überhaupt nicht auftauchen.
Ja, warum nicht, neugierig schließe ich mich ihm an und es entsteht eine Brücke in die Vergangenheit nach Wilhelmshaven. Es gibt eine Begrüßung an der Tür und die Pastorin ist vor dem Gottesdienst anwesend. Es gibt 30 anwesende Gemeindemitglieder, später Kaffee und Tee. Immer mal wieder haben wir aus Neugierde Gottesdienste im Urlaub besucht. Ich erinnere mich an einen Gottesdienst in Chartres, in ich nichts verstand, aber Zeit hatte die wunderschöne Bleiglasfenster in aller Ruhe zu betrachten. Der Bau der United Church von 1961 ist freilich etwas jünger und die Akustik wurde bei Bau irgendwie nicht berücksichtigt.
Und zwischendrin darf sich die Gemeinde Lieder wünschen |
Es ist eine sehr aufgelockerte, fröhliche Atmosphere und Reverend Terri Scallon gestaltet den Ablauf sehr offen, es gibt eine rege Beteiligung mit Wortmeldungen und Beiträgen der Gemeindemitglieder, das ist sehr ungewöhnlich zu den Lithurgien der Amtskirche in Lübeck, wo der Pfarrer meist eine One-man-Show gestaltet.
An diesem Tag ist Abendmahl und hier beginnt das für mich Beeindruckendste an diesem Tag. In Lübeck erlebe ich oft dieses ernste, gesetzte, auswendig gelernte Aufsagen der Einsetzungsworte, ein Ablauf, der seit
100er von Jahren unverändert zu sein scheint. Hier ist das aufregend anders. Sie nimmt ein Brötchen hält es hoch und erklärt, wie sie wohl zusammensaßen und aßen und Jesus ihnen die letzten Tage voraussagte, danach nimmt sie den Silberkelch und fährt fort und danach nahm er den Kelch, wie er ihn oft nahm und erklärte seinen Jüngern... und so ganz nebenbei folgen smart die Einsetzungsworte.
Ich sitze auf dem Polsterstuhl und finde das aufregend. Kein starres Aufsagen des Textes ohne Brust und Seele, da stellt sich jemand hin und erklärt es als das, was es war: ein Essen. Und genau das ist es, was ich so oft empfinde und mich immer weiter entfernt von altertümlichen Leere der Amtskirchen.
Die United Gemeinde in Gibsons wird dadurch allein wohl nicht überleben. Mit Rod gehöre ich zu den jüngsten Besuchern des Gottesdienst. Die Säkularisierung ist auch hier in Gibsons deutlich zu spüren, aber allein dieser Moment war wunderbar erfrischend. Und dann steht Don auf, schüttelt mir die Hand und sagt Ich war 1971-75 Lehrer in der kanadischen Schule in Lahr/ Breisgau und ich sage Dir Deutschland ist gut, Deutschland ist meine zweite Heimat. Alter, so was macht mich fertig. Gretje Treiber Schule, Lahr der Kanadische ArmeeNach dem Gottesdienst nimmt mich Rod mit zu der Gibsons Public Art Gallery. Vor einigen Jahren haben sie durch eine großartige Spende mit jeder Menge freiwilliger Arbeit in einem alten Bankhaus ein Kunstgallerie in dem kleinen Ort etabliert. Bevor ich das weiß, entdecke ich den riesigen Safe und frage mich, nanu, sind die Werke so kostbar? Aber Rod sagt später sie konnten den Safe aus Kostengründen einfach nicht mehr ausbauen. Er gehört auch hier zu den Volunteers.
Ich betrete nach vielen Jahren erstmals wieder eine Kunsthalle. Nicht, das ich es ablehne, es ergibt sich einfach selten. Der Eintritt frei, es gibt eine Donation Box am Eingang und ich beobachte die Werke der heimischen Künstler zum Thema Sunshine Coast Regenwald.
Es zeigt auch das Engagement und den Kampf der Bewohner an der der Sonnenschein Küste um ihre Regenwälder. Seit dem ich BC bereise spüre ich den Widerspruch. Die scheinbare übermächtige Forstindustrie gegen die Küstenbewohner. Was den Widerspruch nicht auflöst, ist die überwiegende Akzeptanz der eben auch hier gewählten Volksvertreter. Wie sagte der engagierte Biker in Nanaimo easy Money, der Ausverkauf der Natur für schnelles Geld und angeblich viele Arbeitsplätze. Rod stellt mich seinen zahlreichen Freunden vor und ich versuche in wenigen Sätzen etwas zu sagen. Keiner der älteren Gesprächspartner hat ähnliches auf seiner Bucket list. Sie sind alle musisch-kulturell orientiert.
Und wieder werde ich gefragt, ob meine Reise nicht irgend ein Fundraising Project ist.
Nach dem Lunch trennen sich unsere Wege an diesem Tag, ich verschwinde zum Einkauf und werde nach einem Bad im Meer versuchen die Küche einzusauen und für Rod zu kochen. Um ein Tomaten Tuna Pürree herzustellen brauche dann Hilfe, hey, hast Du einen Zauberstaub, einen magix stick? Einen was? Na' einen Elektro Mixer, ach wie heißt das bloß auf englisch, aber dann ahnt was ich will, er verschwindet, wühlt einige Minuten in Kisten und präsentiert dann stolz sogar seinen Betty Crocker ElektroMixStab, keine Frage, alles vorhanden.
Es ist kühl geworden in den letzten Tagen und auf der Terrasse beim Essen ist nun ein Fleece notwendig. Im Norden herrschen seit einigen Tagen nachts Minusgrade.