Letzte Nacht im Yukon
Nun arbeite ich mich zum xten
Mal an der Version dieses Textes ab, um ihn so neutral wie möglich und frei von
jeder Mitleidsheischerie zu verfassen.
Es gibt ein Bild, das sich
tief in mir eingebrannt hat, es ist aus dem Jahre 2004 und zeigt wie einer
meiner Idole der Tour de France, Christoph Moreau, weinend bei
Schlechtwetter neben dem Service Car
seiner Mannschaft steht, wenige Minuten später gibt er das Rennen verletzt auf.
Sie nehmen ihm die Startnummer ab und er steigt in das Auto.
Sie nehmen ihm die Startnummer ab und er steigt in das Auto.
Am dritten Tag der Rückfahrt
stand heute wieder eine längere Strecke an.
Von Anfang an war es wieder
ein Black Flies-Tag. Außerordentlich aggressiv waren die kleinen Biester. Vom
Zeltabbau verfolgten sich mich auf die Strasse und ließen sich auch nicht
abschütteln, ständige Stiche, sobald es die Chance für ein Foto gab, waren die
Folge.
Ich wollte auf jeden Fall
bis Swift River, jener geschlossenen Tankstelle, die ich auf der Hinfahrt
besuchte, kommen, in der Hoffnung meine auf der Hinfahrt verlorene Brille dort
wieder zu finden.
Bei Km 85 dann erneut
technische Probleme. Die Felge zersplittert, der Reifen ist wieder platt. Es
ist nun alles ein wenig viel. Ich stehe mitten im Nichts mit einem platten
Reifen und es summt von allen Seiten. Ich könnte das Rad in den nächsten Teich
werfen und den ganzen Summs gleich hinterher, mich auf den Randstein setzen und
dieser ganzen Tour ein Ende setzen- ich fühle mich elend.
Nie zuvor hatte ich so viele
technische Probleme auf irgendwelchen Touren, es ist als ob immer mal jemand
mit der Nadel in eine Voodoo Puppe sticht. Lol
Wie so oft ist schwül, es
weht nicht ein Lüftchen, ich bin der Verzweiflung nahe. Der Stress der letzten
Tage, dieser ständige Kampf gegen die Mücken, die technischen Probleme, und
meine zunehmenden körperlichen Probleme haben deutliche Spuren hinterlassen.
Ich will jetzt hier weg. Was
mir fehlt sind einige erholsame Tage, aber im Yukon ist das nicht zu machen. Alle
sind sie so glücklich mit ihrer Einsamkeit und den halten die Umstände für
völlig normal. Mir geht das zunehmend auf die Nerven. Mir ist der Spaß am
fahrradfahren ein wenig abhanden gekommen. Und so halte ich dem nächsten Auto
den Daumen hin. Mir ist klar, das ich eine Todsünde gehe. Abgestiegen und dabei
aufzugeben. Wem will ich das erzählen. Vorbei,
na klar, wer nimmt auch schon einen Biker mit. Die Anzahl der brauchbaren Autos
an diesem Tag kann ich ohnehin an wenigen Fingern abzählen. Meist sind es doch nur
RV’s oder Trucks..
Also alles vom Rad und
während ich die letzte Tasche vom Rad nehme steht plötzlich ein riesiger blauer
Dodge neben mir und der Fahrer schreit mich an are you ok?
Nein!, nix ist mehr ok, Rad halbfertig und der Fahrer gleich auch. ich
will hier weg, und dann geht alles ganz schnell. Das Rennen ist an diesem Tag
gelaufen, der Yukon ist in diesem Moment beendet.
Ich sitze bei Mark im Auto,
der aus Kamloops nach Whitehorse geflogen war und zuständig ist für Flugplätze
der Forrest Fire Fighter. In Yukon gibt es 5 Pisten für Flächenbekämpfungsflugzeuge,
BC hat 17 Pisten; er ist für deren Einsatzbereitschaft verantwortlich. Nun ist er
auf dem Weg nach Watson Lake. 15km östlich gibt es einen Flugplatz auf denen
die Fire Tanker landen.
Ich erfahre in diesen 2
Stunden alles über Waldbrände. Dieses Jahr hatten sie noch keinen hier im
Yukon, der immer den Anfang in der Brandsaison macht. Für einige Tage hat es
nur ein wenig auf dem Dempster Hwy gebrannt. Das war innerhalb 2 Tagen
gelöscht. In der Zeit gab es keinen Verkehr auf der Strasse nach Inuvik.
Ende Mai/Juni/Juli ist
Brandsaison im Yukon, dann verlagert sich alles in den Süden von BC, Höhepunkt ist dort Juli/August, Kalifornien
bildet den Abschluss im September.
Wenn es brennt, brennt es
eben richtig auf einer Ausdehnung von vielen Kilometer, vor einigen Jahren hat
es auf einer Fläche von 50x100km gebrannt, erzählt er. Dann geht er mit raus
und richtet so nahe wie möglich am Brandherd mobile PumpenFüllstationen für
Helikopter ein, die dann, weil sie so teuer sind, nur 2min fliegen und wieder
befüllt werden. Immer hin und her, nonstop.
Wenn’s mal gerade nicht
brennt sind er und sein Team auch mal woanders tätig, im Winter waren sie z.B.
in Australien. Stunden vergehen wie im Flug und doch frage ich mich immer
wieder, bin ich wirklich alle diese Pässe am letzten Samstag gefahren, die wir
jetzt mit 100km/h befahren, oder fahren wir einen Umweg.
Es lenkt ab und ich habe
eine Auszeit und ich bin froh als wir in Watson Lake ankommen.
Ich tausche die Felge und
bereite die Abfahrt aus dem Yukon vor.
Am letzten Tag sollte es
schon etwas besonderes sein und so nehme ich die beste Wiese mit satten Grün
ein wenig illegal in Beschlag. Eine letzte Nacht auf weichem Gras. In den
Städten sprayen sie Insektenmittel, deswegen hält sich die Population in
Grenzen.
Morgen geht’s los, Hwy 37,
dem Stewart- Cassiar Highway zurück nach Süden. Es gibt nicht viele Stationen
auf dem 700km langen Weg. Wieder muss das Essen mitgenommen werden.
Mark aus Kamloops |
In der Nacht werde ich wach.
Das Eigenleben von programmierbaren Beregnungsanlagen und Rasensprengern führt
unter Umständen dazu, dass sie auch dann arbeiten, selbst wenn es am Tag zuvor
geregnet hat. So ist planmäßig mein Abschnitt von 01:40-2:00h an der Reihe. Prima,
das Zelt hat es dringend nötig.
Am nächsten Tag stehe ich
vor der Frage, was es wert ist mitgenommen zu werden.
Auf was kann ich verzichten?
Das Paket mit der kanadischen Post wird ca. 110€ kosten. Bei einem geschätzten
Gewicht von 8,5kg. Die Postangestellte schleppte für mich gestern 3 dicke
Ordner auf ihre Paketwaage.
Was sind 8,5kg, zu einem
Preis von 110€
Im Grunde genommen kann ich
auch alles im Mülleimer entsorgen, wenn nur der ideelle Wert nicht wäre. Ich
bin wieder genauso weit wie vorher.
Mein Dilemma ist ja, das ich
genau weiß, das ich zu schwer bin, aber nun benutze ich seit Monaten die selbe
Kleidung und die zusätzliche Kleidung ist immer noch ungebraucht.
Es war ein Fehler zuviel vom
Start an mitzunehmen.