tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Mittwoch, 2. April 2014

Niagara, wo sind bloß die Fälle

Auf dem Highway 81
Willkommen im kanadischen Durchschnitt.
Zu Beginn eine Binse, die den Tag prägen wird. 
  • Ontario ist viel größer als Deutschland
  • Die Menschen haben eine grundsätzlich unterschiedliche Lebensweise, als wir sie haben.
  • Sie halten fahrradfahren für einen Luxus, den man in seiner Freizeit an warmen Tagen ausübt, das Fahrrad gilt als Alltagsgerät und ist hier für die meisten undenkbar. 
Der Tag beginnt um 08:00h und ich mache mich aus dem Staub, es ist kühl, aber ich komme gut in Tritt.
Tourstart

Michael schätzt Tim`s Kaffee
Schulbussflotte driver wanted
Sherbourne zum See und dann die Lakeshore, immer in der Nähe des Sees bleiben. Biker, die ich treffe fahren Expressräder, Hollandrad fährt hier keiner. Und auch nicht diese Fehlentwicklung der E-Bikes. Schnell spüre ich die Folgen des Winters, teilweise sind die Abwasserschächte in Fahrradnähe eingebrochen. Nicht  nur Lübeck hat winterbedingte Straßenschäden. Aber so unglaublich es klingt, es wird nicht gehupt. Ich tanze vor Lastern und Berufspendlern mit meinem schweren Rad, aber es gibt keine Anzeichen von Nervosität. Rushhour in Toronto, alles verstopft, aber die Kanadier nehmen es gemächlich. Es gab in diesen Tagen nicht eine Begegnung eines zu schnell abbiegenden PKW's an einem Fußgängerweg.

Nach 20 min sehe ich zum ersten Mal den See. Es ist kühl, durch den eistreibenden See wird die auflandziehende Luft zusätzlich abgekühlt. Nach 35 km zu Tim ins Cafe. Ellinor skypen, die leider nicht abnimmt, stattdessen erscheint Michael, der das Rad und meine Idee begeistert aufnimmt. Er kommt zweimal am Tag zu Tim und auf meine Frage warum er seinen Kaffee nicht zu Hause trinkt, erklärt er mir die soziale Funktion von Tim's Kaffeebude hier in seinem Kiez. Dann bin ich wirklich in den Vororten. Und jetzt ist es wie man sich das vorstellt. Einfamilien Holzhäuser, Doppelgarage, die Strassen unendlich lang. Hier wohnt der kanadische Durchschnitt.  Im Gegensatz zu Deutschland wird die Stromleitung ausschließlich oberirdisch geführt. Endless roads, das endet schlagartig, als ich auf eine Kreuzung komme und meine Strasse als Auffahrt zum QEW wird, dem 8spurigen Highway Queen Elisabeth Way,  Wikipedia.org.Queen Elizabeth Way der den Südosten Ontarios durchpflügt. Keine Fahrradfahrer. Schlimmer noch, ich stehe ratlos, weil die Kreuzung so plötzlich kam und gab es keine
QEW
Vorhinweise. Ja und nu? Es gibt keine Regionalbeschilderung, wie wir das aus Norddeutschland kennen.



 Ich entscheide intuitiv in Richtung See, es wird kein Schild mehr folgen.
Auf einen Kaffee zu Tim mit free wifi
In Hamilton komme ich dem QEW wieder bedrohlich nahe, werde aber gerade noch von 2 Paramedics gestoppt, die freundlich nachfragen und ich erkläre, das es auf dem Garmin Navi so aussieht, als könnte ich irgendie da mit auf die Brücke über den See. Mit einem "take care man" weisen sie mir lachend den Weg.

Bis ich die Brücke für Trucks und Biker finde vergeht Zeit. Bin ich eigentlich der einzige, der sich hier verfranzt?
Es geht so den ganzen Tag und verliere viel Zeit. Das summiert sich allmählich. Die Gegend scheint ausschließlich aus Kleinstädten, die aus einer Strasse zu bestehen scheinen. Es geht ineinander über, meist über Kilometer. Ein Hintergrundbebauung scheint kaum vorhanden zu sein.

Das Problem ist die Nahrungsaufnahme. Ich liebe Polen, haste Hunger, findest Du garantiert immer irgendwo einen Spoziywyczy, der auch 22:00h Lebensmittel verkauft.
Postkarten Nordamerika
Hier ist das bei den Strassendörfern anders, es gibt eine große Fläche, da sind sie alle, überfährt man die, bleibt der Magen leer. Um 16:00h in Stoney Creek zu Tim, zum Nachbarschaftskaffee. Ich skype mit Ellinor und bin euphorisch. Neben mir 20 Inder, eine Großfamlie zum Kaffeetrinken, wer hat auch soviel Geschirr. Ich werde vorgelassen. Glaube bei Km 87 fast im Ziel zu sein. Ein fataler Irrtum. Später wird es ein Rennen gegen die Dunkelheit, Hunger und Kälte werden. Was so nach 30 km auf der Großmaßstabskarte aussieht, sind in Wirklichkeit viel mehr. Irgendwann werde ich bei Dämmerung, östlich von St. Catharines, von einer Frau aufgegabelt und sie wirkt besorgt.

Two Queen Size Bedroom
Du kannst nicht auf dem QEW fahren, betont sie mehrmals, Nein, ich will nur rüber. Sie versucht den Weg zu erklären. Ich bin der Annahme, es sind nur noch wenige Km bis zum Fluß, der die Ostgrenze Kanadas bildet; bei Nachrechnung auf ihrem Smart kommt sie auf weitere 21 km. Ich könnte einen spontanen Heulkrampf kriegen. Und ich wunderte mich über die Leute, die nicht in der Lage waren mir den Weg zum Fluß zu zeigen. Es ist nix ausgeschildert. Ganz ehrlich, es war mir bewußt, Ontario ist 3 x so groß wie Deutschland, aber an diesem Tag wird mir die Größe zum ersten Mal bewußt. Ich verschätze ich mich gewaltig. Unvorbereitet wühle ich die Weste heraus und versuche das Hinterllicht vom Gepäck frei zu räumen. Spätestens in der Dunkelheit ist  die Sache nicht mehr witzig. In völliger Dunkelheit bleibt bei der spärlichen Beschilderung hier irgendwo um Niagara Falls herum nur das Navi, ich rolle um 22:00h durch verwaiste, schlafende Vorstädte,obwohl ich längst da sein wollte.
Hätte Tom mir nicht so vehement  das Garmin nahe gelegt, ich hätte die Orientierung verloren. So lerne ich das Ding zum ersten Mal lieben, nachdem ich das Hotel eingegeben habe. Eigentlich wollte ich Karten kaufen, doch der Buchändler guckte mich fragend an, als ich nach einer Karte verlangte. Wie eine, für Deine Strecke brauchst Du 6. So habe ich nur die Notfallkarte, die keine wirklich Hilfe bei dieser Art der Ausschildung bietet.
Nur ein einziges Mal versieht sich das Ding, weil es hier mehrere Motels gleichen Names gibt. Irgendwann begreife ich, dass das Ziel auf der anderen Seite in den USA liegt.
Die 1,5 l Coke haben ihre Wirkung getan. Der Magen ist befriedigt. Ich erreiche das Motel um 22:50h, Mr. Somal hat an diesem Abend keine Lust mehr Geld zu verdienen und seine Empathie ist bereits verbraucht. Ich ernte kein aufmerksames Mitleid und schließe das ebenerdige Zimmer auf. Yeah, das war es wert. 2 Queen Kingsize Betten, sauberes Bettzeug, eine heiße Dusche und ich falle ohne weitere Gedanken in den Tiefschlaf.