tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Montag, 7. April 2014

Der härteste Winter seit 20 Jahren

Beleidigungen am Strassenrand
Walter. Dieser Beitrag ist Walter aus Gent gewidmet. Wem Walter gerade nicht präsent ist, dem sei gesagt, er stammt aus Gent in Belgien, arbeitet bürgerlich in einer Bank und das erste Mal kreuzten sich unsere Blicke, als ich mich anschickte "denstyrkeproven" zu fahren und er mich, mit seinem edlen Trek Madone schwarzgelb, im strömenden Regen, auf dem Weg zum Dovrefjell auffuhr. Ich hatte nach 1 h Dauerregen landunter und die Vorstellung, noch weitere 520 km zu fahren, hatte wenig perspektivisches. Unser Verhältnis in den nächsten 26 h wurde so gut, das wir ein Jahr später in Schweden starteten, in dem Regensommer, als die Organisation zusammenzubrechen drohte, weil die vielen Aufgeber die Anzahl der bereit gestellten Busse überforderten. Wir guckten uns um 4:30h morgens in Hoy, 130 km triefend vor dem Ziel und er fragte Fronck, wollen Sie aufgeben?  Und beide antworteten wir, never surrender. Walter, gestern ich habe es wieder getan:



Samstagmorgen, irgendwann muß es ja mal losgehen. Ich denke an meine Kollegen; ein vielleicht unangenehmer Frühdienst, aber danach in die wohlige Sauna. Danach ein Bier. Welch eine verlockende Aussicht. Stattdessen stehe ich um 8:00 morgens im schlafenden Hamilton im Graupelschauer, das Termometer zeigt - 4° und 100 km sind angesagt. Das Motel steht in Orangeville. Nein, es gibt schönere Augenblicke im Leben.
Auch Wildgänse warten in Hamilton auf Sommer

Die Ausfahrt aus Hamilton gelingt auch ohne Navi und ich stehe nach 1h frierend vor Highway 6. No Pedestrians, no Bicycling. Yeah. Der Wind bläst unablässig von vorne. Ich bin kein Fahrradromantiker, der sich mit Sprüchen, wie der-Wind-bläst-immer-von-vorn motiviert, ich gehe nicht vor die Tür, wenn es draußen landunter hat. Ein halbes Jahr hat Ellinor mich bearbeitet, fahr doch mal draußen, die haben auch Regentage da drüben.


aberwitzige Anstiege, Zeit zur Muße beim Schieben
Also zunächst nach Osten, was auf dem Navi so einladend nah aussieht, entwickelt sich zu einer 90 min Sequenz. Jedesmal wenn ich nach Osten drehe, bläst mir die kalte feuchte Brühe ins Gesicht. Es läßt sich nicht vermeiden, die Strassen sind hier ausschließlich rechtwinklig. Also eine Strecke mit Wind, eine gegen den Sturm. Immer 4 km lang. Die Strecke nimmt an diesem Tag kein Ende, die Berge auch nicht und als ich beim ersten Schieben am Berg vom nächsten Graupel erwischt werde, ist es mit der Beherrschung vorbei. Ich tobe und bin nahe dran, wie einst Bjarne Riis auf der legenden Tour 1997 das sündhaft teure Stück in den eisigen Schlott zu werfen. F..., wer hat sich das ausgedacht. F.... Da steht man um 11:00h durchgefroren und will 'ne Weltreise machen. Und dann sowas. Ich will hier weg. Ich hadere mit meinem Gott, 'handele um eine Stunde wenigstens kein Sturm, keine Kälte. Und wenn's zum Ende sein soll. Nur eine Stunde, bitte. Nix, die Leitung scheint gestört.

 So richte ich das Fahrrad wieder auf und erreiche Derry road und der schwarze Tankwart fragt what a hell are doin' outside man? Und ich antworte auf nur auf deutsch, ja, das weiß ich auch nicht. Er lädt mich ein und ich bleibe für 15min. Jeder regt sich über
das Wetter auf. Muß es gerade dieses Jahr den kältesten, längsten Winter seit 20 Jahren in Ontario geben? Kann das nicht nächstes Jahr sein, usually we have 15-20 in march. Ja, usually eben.
Wintersportregion Caledon Mountains

Irgendwann erreiche ich Highway 10. Von jetzt geht's nur noch gerade aus. Immer gegen den Wind, Meile um Meile bis zum bitteren Ende. Aus 25 km wird eine Ewigkeit, die meisten schiebend. Ich habe so viele Körner gelassen, das für weitere Anstiege die Kraft fehlt. Eigentlich wollte ich einkaufen in Orangeville.

Jetzt wäre ich froh, bei Tageslicht anzukommen. Der Blick auf 's Navi zeigt 500 m über Meereshöhe. Was für ein Irrsinn, ich hatte mit Bergen geplant, aber doch nicht vor den Rockies. In Toronto hatten sie mich gewarnt. Also schiebe ich am Rand eines 6spurigen Highways mein Rad über mehrere Km. Die Kanadier müssen mich für bekloppst halten. Sitzen in ihren guttemperierten Pickups und draussen schiebt einer 'nen Rad hoch. Niemand schiebt hier Räder mit Säcken dran. Ich kann nicht mehr und denke ich an diesem Tag an Walter, es zählt nur das Ankommen im Marathon. We never surrender, wie Churchill sagt. Ich schreie es in den Sturm. Heute noch nicht. Später wird Ellinor die aktuellen Klimadaten nachreichen. 6 Bft, bei den Norweger nennen sie das schnöde kreftig vind.
zugefrorener See Lake Orangeville

Mit den letzten Sonnenstrahlen erreiche ich das Motel, 2,7km außerhalb des Ortes. Bei der Einfahrt wabert warmer Frittenduft über die Strasse.
Die Garmin Zielansprache passt auf wenige Meter. Eine Dusche, nur noch eine Dusche, der Wirt schenkt mir eine Büchse Coke, ich kann meine Unterschrift auf der Anmeldung nicht lesen.