Der grüne Salon ist nicht an die Welt angeschlossen

Canadian Pacific

7h auf dem Highway. Das erste Geräusch, von dem ich wachwerde, ist das scheibenkratzen meiner Nachbarn, 4m von meinem Bett entfernt. Kanada steht auf; das zweite Mal ist die Canadian Pacific der Übertäter, das Zimmer scheint zu vibrieren. In 50m Enfernung überquert in 10m Höhe ein Güterzug das Tal, in dem dieser Stadtteil liegt. Signalhorngeschreische inklusive. Das dauert 4min. Eine nicht enden wollende Menge an Güterwaggons mit Doppeldecker-Containern zieht an meinem Appartment vorbei. Die Eisenbahn hat den Westen Canadas erobert. 
Mehrfach am Tag treibt Canadian Pacific endlose Güterzüge, gezogen von 3 Lokomotiven durch die Region. In Sudbury muß ein  XXl-Maschen liegen. Zwei Stunden später um 08:00h steht das gelbe Schwein schon hoch am Himmel. Ein herrlicher Spätwintertag, so als würde die Sonne fragen, ich bin bereit, wo bleibst Du?

Ja, ich hänge, meine Begeisterung hat in den letzten Tagen gelitten, auf den Boden der Tatsachen zurück geerdet. Die letzten grauen Tage waren nur Pflichtprogramm, die Kür kommt dann irgendwann später, aber heute ist das anders. Ich fange an mich zu beeeilen. Jetzt noch schnell ein Continental und dann los. Leider ist der Kaffee so dünn, das ich das weiße Plastikmesser am Grund sehen kann. Und mein change, I give you your change tomorrow, vom Vortag ist nicht auch nicht aufgetaucht. Egal, die laue, schwarze Brühe mit Erdnußbuttertoast heruntergespült und los.Draußen schreit mich der erste aus seinem Auto an eyh', keep your wheels on the ground. Yeah,man so wird das sein.

Hwy 69 north

Es dauert dennoch 20km, bis sie mich endlich auf den Highway lassen, der jetzt nur noch unaufgeregt Hwy69 north heißt und nicht mehr TCH 400er Series.  Aber sofort stellt sich herrschaftliches Fahren ein. 12foot payved shoulter, gemeint ist das, was in Deutschland schnöde Seitenstreifen heißt. 12 Füße breit, ein riesen Platz, an mir ziehen die schweren Macks vorbei. Nix mehr mit quälenden, kurvenwindigen Backroads. In Toronto hatte ein Atlas in der Hand und war unsicher ihn mitzunehmen. $21,95, Ontario Backstreets. 'Hat eine stattliche Größe und ist eher was für's Armaturenbrett. Aber heute ist er nicht mal nötig, heute darf ich mitfahren. 100km geradeaus. 
Es läuft fluffig und nach3 Stunden ist Pause beim Shell. Hier auf dem Highway verkauft die Gasolin station gleich alles andere auch, vom Schneeschieber, Haushalt bis zu foodbasics. Der Laden brummt, anschlossen ist ein Schnellrestaurant. Ich order Columbian Coffee mit dem Hinweis extra strong. Entpuppt sich aber als lascher Schwarzer für $1,50, trotzdem Zeit für 3 smalltalks. Es ist unglaublich, wieviel Leute nachfragen, wo man als Biker hinwill. 
 

Shawanna River

Ich Deutschland muß Du schon nakt mit einem Bärenfell umhängt und einem blinkenden Wikingerhelm herumfahren, sonst nimmt Dich niemand wahr. Hier ist das zu meinem Erstaunen hier komplett anders. Mehrfach am Tag grüßen die Leute aus ihren Autos und sind sehr interressiert. Du wirst nicht als störendes Element auf großen Straßen gesehen, hier bedrängt Dich keiner. Die Höchstgeschwindigkeit ist oft 90km/h(Regelobergrenze 100km/h), alle fahren Endgeschwindigkeit und trotzdem kommt niemand anscheinend auf die Idee bei freier Sicht auf gerader Strecke die Laster mal so schnell zu versägen. Allerdings sind sie hier in Ontario auch nicht zimperlich mit ihren teilweise drakonisch wirkenden Strafen und ihren so ganz nebenbei eingestreuten Warntafeln. Alle 5km Schilder mit den Emphelungen wie Müdigkeit tötet, mach mal 'ne Pause oder komm lebend an, falls Du mit Alkohol fährst, lass das Auto stehen.
Meine Ziel ist French River Trading Post, so eine Art Karls Erdbeerhof auf kanadisch, Erlebnisshopping am Highway. Sie hatten nicht geantwortet am gestrigen Abend und je länger ich unterwegs bin, desto mehr kommt die Panik hoch. Nicht schon wieder so 'ne Pleite wie vor zwei Tagen mit winterlich bedingt geschlossenem Motel.

Still river General Store

In Still River, 15km vorher, also lieber nochmal eine Rast. Man ist sich aber zuversichtlich, zumindest das French River Inn sollte offen sein. Insgeheim bereite ich mich auf eine Nacht im Freien vor.
Einen Kaffee, in Finnland würde es jetzt an solchen Orten Munkis geben, jene in Fett gebacken, mit Marmelade gefüllten, gezuckerten Taschen, aber Kanada kennt keine Munkis. Und die wichtige Frage, gibt's in French River einen General Store? Die Antwort lautet, hier kaufen, alles 15km mitnehmen. Da ist nichts.
Where you come from? - Europe, northern Germany. Und dann die Lady hinter dem Tresen einfach auf Wiedersehen. Ja, sie stamme auch aus Deutschland. Es ist Waltraud, für die Kanadier erschien Trudy gängiger, und sie stammt aus Renningen, you know Stuttgard? Seit 1966 ist sie in den Staaten, seit 1968 lebt sie hier vom General store 15km entfernt. Immer im gleichen Dorf. Eigentlich ist sie längst im Rentenalter, aber es gefällt ihr so sehr die Leute hier zu treffen und noch ein wenig auszuhelfen. Ich hätte noch viele Fragen an Trudy aus Renningen, aber das Motel ist an diesem Tag wichtiger.  

Waltraud "Trudy" from Renningen

Es ist eben einfach nicht Saison hier und so nimmt man was man kriegt. Keine Diskussionen, oder eine Nacht im Freien. Es ist ein guter Tag, gute 100km und ein Motel hat geöffnet. Es gibt heute keinen Fahrerbonus. Need the cheapest room and hot shower. 60$+ Tax. Ich bekomme den grünen Salon, mit King size Bed, ein Bett für 4, das Auge braucht Zeit sich an das grelle Grün zu gewöhnen. Die Zimmerdes Inn's haben schon jede Menge Gäste gesehen, aber alles ist sauber, Berge voller Handtücher und eine robsuste Heizung. Leider ohne free wifi.  Was willst mit Internet. Hast doch mehr als 100 TV Programme. Die Zeit ist am French River Inn Motel vorbei gezogen, der grüne Salon ist nicht an die Welt angeschlossen, hier sind andere Dinge wichtiger. 

Der grüne Salon

Irgendwann würde es passieren, der Kontakt nach Deutschland an diesem Tag nicht möglich sein, langsam begreife ich enttäuscht, das heute Premiere ist. Am Abend dann wie gewohnt Canadian Pacific auf dem Weg nach Sudbury.