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Sörlandet, [norw., das Südland]. Schuld hat eigentlich der Pastor unserer Trauungskirche in Andenes. Durch unsere Berufe machte Erik unbewußt Werbung für eine Arbeitsaufnahme in Norwegen. Die Krankenstation in Andenes war gerade mal wieder verwaist, und er machte einfach spontan den Vorschlag dort anzuheuern. Das nächste Krankenhaus in Sortland ist über
100 km entfernt und über Telemetrie Medizin mit Krankenstation verbunden. Zu weit für eine Fahrt mit dem Auto im Hochwinter und der Hubschrauber braucht gut 1h, in jedem Fall zu spät für einen ehrlichen Herzinfarkt.
Es reifte in uns der Plan, und 2008 hatten wir ernsthaft überlegt nach Norwegen auszuwandern. Wir hatten uns überlegt in Tromsö leben zu wollen, der Stadt am Polarkreis, träumten vom 20 Fuß Seecontainer, der alle Habseligkeiten fassen würde.
Bekanntermaßen wurde nichts draus nichts, und wir beschränkten uns danach weiterhin darauf, in Norwegen nur Urlaub zu machen, der aufgrund der seit 2008 einsetzenden Teilzeit auch zeitlich möglich war.
Im Jahre 2010 wollten wir es dann doch noch einmal wissen und besuchten Sörlandet und die Region Stavanger mit der Vorstellung, vielleicht doch noch dort arbeiten zu können. Stavanger ist eine der 4 norwegischen Städte mit Universitätsklinika. Die Ölhafenstadt am äußersten südwestlichsten Zipfel des Landes ist mit ihrer Altstadt und den restaurierten weißen Holzhäusern ein fester Anlaufpunkt für Kreuzfahrtschiffe auf dem Weg nach Bergen in Westnorwegen. Ein unglaublicher Kontrast ist der Anblick dieser riesigen Touristfabriken mit ihren mehr als 4000 Bewohnern, die die pitoreske Altstadt zu überschwemmen drohen und in die kleine Domkirche drängen.
In unmittelbarer Nähe zu Stavanger, ungefähr eine Stunde entfernt, liegen zwei der Top10 Sehenswürdigkeiten Fjordnorwegens. Nachdem ich mit Tom 1996 nach 6 Stunden im schweren Regen am Preikestolen, Preikestolen 360*, der Kanzel, vorbei gefahren bin, war der Besuch im Frühsommer nun Pflicht. Im Lysefjord befindet sich ebenfalls, 40 km weiter fjordaufwärts, ein weiteres Highlight, der KjeragBolten, ein ca. 5 qm schwerer Granit, eingeklemmt zwischen zwei Felsen, gut 1000 m frei über dem Meer. Kjeragbolten 360*
Auch 5 Jahre später überkommt mich, der ich eigentlich nicht auf Leitern steige, in Gedanken an das geplante Fototshooting bei der Besteigung und dem Rückweg vom Kjerag eine Gänsehaut. Ansonsten bleibt er ein absolutes "Muss" für Leute, die den Thrill lieben, 1000 m über dem Meer,ohne irgendeine Sicherung, frei zu stehen.
Die schönste Anreise nach Norwegen ist die Fährfahrt. Für die Anreise nach Sörlandet empfielt sich Hirthals an der dänischen Jammerbucht. Zwar sind die tradionellen Fähren verschwunden und Colour line setzt moderne highspeed Katamaranfähren auf der Fahrt nach Kristiansand ein, das schadet aber nicht dem Gefühl von Sonne, Liegestuhl, Freiheit und Latte Macchiato.
In den letzten Jahren nehmen wir für unsere Reisen vermehrt den "Firmenwagen"; für unsere Zwecke ist er völlig ausreichend und bietet obendrein noch Platz für zwei Räder.
Nach dem schnellen Verlassen von Kristiansand,
Kopfsteinpflaster Straßen und ihren weißen Holzhäuser bietet mit der Nähe zum Meer genug Inspiration für mehrere Tage.
Höhepunkt für die meisten Tagestouristen ist allerdings der Preikestolen, die Kanzel, ein jäh 600m aus dem Lysefjord aufsteigendes Felsplateau. Der Weg bis zum Rand ist für waghalsige frei.
Allerdings fordert die Aussicht ihren Preis. Obwohl mit ÖPNV aus Stavanger gut zu erreichen, bedarf es eines anspruchsvollen
2 h Wanderweges bis die Kanzel in Sicht erscheint.
Bei gutem Wetter ist der Blick jedoch dann atemberaubend und für alles entschädigend. Über das Felsplateau folgt der Blick dem Lysefjord aufwärts und lädt immer wieder zu spontanen ausgelassenen Handlungen ein.
Die Anreise zum Kjerag Bolten kann über den Suleskarvegen, frühestens Anfang Juni, erfolgen, für eine frühere Anreise sind die Strassen im Setesdal noch gesperrt. Der Suleskarvegen kürzt die Strecke zum Campingplatz in Brokke auf 150 km ab. Eine fast menschenleere, verkehrsarme Fjellstrasse auf der mehr Schafe als Autos unterwegs sind. In dieser baumlosen Region bedindet sich der Tourist auf der Durchreise. Das unscheinbare Suleskard Fjellcenter Suleskard Fjellcenter Camping hat eine Doppelsaison mit Langlaufloipen im Winter und eignet sich hervoragend als Basislager für Wanderungen in die Einsamkeit. Suleskar-Maraton In der Region sind schwere Hagelstürme, auch im Frühsommer, nichts Ungewöhnliches. Wir hatten diese wunderbare Erfahrung, als innerhalb weniger Minuten das Wetter umschlug, der Himmel sich verdunkelte und ein schwerer Hagelsturm über die Region hinweg ging.
Im Frühsommer wird der härterste norwegische Marathon aus dem Süden kommend hier beendet.
Der Parkplatz am Startpunkt der Wanderung zum KjerakBolten liegt leicht abschüssig. Wie in einem Slapstick-Film müssen wir am frühen Sonntagmorgen lernen, wie nicht angezogene Handbremsen einen Opel Combo ins Rollen bringen.
Mit knapper Not können wir das Auto stoppen, indem Ellinor panisch die Tür öffnet und Handbremse hochriß. Es verfolgt mich noch tagelang später auf der Reise, als wir längst die Region Richtung Dahlen verlassen haben.
Die Wanderung dauerte gut 2,5 h über schroffes, felsiges Gelänge, das teilweise mit Seilen gesichert ist. Die Ausschilderung ist norwegen-typisch. Es besteht keine Gefahr von der Richtung abzukommen. Mit Wetterumschlägen muß gerechnet werden, uns erwischte auf dem Kamm ungeschützt ein 20 minütiger Graupelschauer. Dann taucht er plötzlich auf, ein freischwebender Stein, eingeklemmt, wie von einer Riesenhand zwischen die Felsen gedrückt. Für Deutsche stellt sich unbewußt die Frage: Wie? ungesichert, ein Schritt weiter -1000m tiefer, ohne Absperrung? In anderen Ländern gilt anscheindend ein viel höheres Maß an Selbstverantwortung. In Deutschland wahrscheinlich undenkbar. Sicher sofort abgesperrt.
Um es kurz zu machen, ich hab's versucht, aber dann begann das Nervenflattern und nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Ein wenig frustriert machen wir uns auf den Heimweg, sah doch eigentlich kinderleicht aus.
Source:nrk.no Foto: Sindre Lindvold |
Es hat mich eine ganze Zeit lang verfolgt, muß man aber wohl selbst erlebt haben, um es zu fühlen.
Zurück, befindet sich neben dem Parkplatz, praktischerweise, ein Ausfluslokal. Kaffeezeit, um das Erlebte zu verdauen. Der Blick fällt auf die Wand, an der Fotos des norwegischen Balancekünstlers, Eskil Rönningsbakken, hängen. Eskil Rönningsbakken. Unglaublich wirkende Fotos.
Verstörende Bilder, die an diesem Tag nur schwer zu ertragen sind, wenn man bereits nervenflattern beim zu-Fuß-gehen hatte. Ich kann kaum hingucken. Ohne Sicherung. Aber möglicherweise gilt auch für ihn live your dream now...
Ein Interview mit Fotos leider nicht in englisch. Eskil Rönninsgbakken auf nrk.no