Di.,2.12.
When I got lost
Irgendwann wird klar, an diesem Tag wird der Regen nicht
mehr aufhören und es wird früher dunkel sein. Graue Regenwolken am Himmel
werden das Restlicht des Tages schneller schlucken, ich muß zurück, ich weiß es
gibt eine warme Dusche, sie ist gute 22km entfernt.
Ich kann es nicht fassen, es schüttet aus Eimern und der Wachtmeister in seiner Fantasieuniform entdeckt in mir eine suspekte Person, anstatt mir zu sagen, wie ich in meinem Aufzug zu Cyntia komme. Es wird langsam dunkel. Hören Sie, gleich ist es dunkel, falls ihnen das nicht aufgefallen ist, es regnet seit12h und ich weiß nicht so recht, wo mein Gastgeber wohnt, können sie mir helfen?
Das Drama dauert gut eine Stunde, dann ist es dunkel, bis dahin habe ich mehrere hilfreichere Nachbarn gefragt und sämtliche Seitenstraßen kennengelernt. Man muss dieses Gefühl einmal erlebt haben, Orientierungslosigkeit ist ein fürchterliches Gefühl.
When I got lost
Der angekündigte Regen beginnt um 4:20h am frühen Morgen. Um
10:00h hat sich noch nichts geändert. Es regnet nach wie vor junge Hunde. Es ist
absolut kein Wetter für Außenaktivitäten, aber ich will trotzdem versuchen mal ohne Gepäck
nach LA zu kommen, der Regen wird schon nachher aufhören.
Leider ändert sich für die nächsten Stunden gar nichts, es
schüttet ununterbrochen und nach 2Stunden auf der Straße breche ich den
Versuch ab nach LA zu kommen. Ich suche Zuflucht in einer Filiale der LA
Central Library am Santa Monica Boulevard.
Triefend stehe ich im Eingang, die Temperatur ist unter
10°gefallen, der Dauerregen und die niedrige Temperatur lassen das Foyer
vorübergehend auch zur Zufluchtsstätte für viele homeless people des Bezirks werden.
Es gibt kostenloses wifi, aber das momentane Obdachlosen Asyl wirkt
beklemmend. Menschen mit offensichtlich psychischen Störungen, die laut
ununterbrochen wirr vor sich hinreden, genauso wie Menschen, die einen Großteil,
was sie besitzen, bereits am Körper tragen. Draußen unter dem Vordach sind etliche
vollgepackte Einkaufswagen mit dem Besitz dieser Menschen geparkt.
Der gesperrte PCH im Dauerregen |
Inzwischen zeigt der Dauerregen Wirkung auf dem Santa Monica
Boulevard, in Kreuzungsbereichen haben sich große Seen gebildet, das
Kanalsystem ist in diesem Teil der Stadt an seine Grenzen gelangt.
Am Strand zurück, deutet sich etwas Besonderes an. Der PCH
scheint blockiert zu sein, es scheint am Ende des Radweges kein Auto mehr zu
fahren, tatsächlich der PCH ist ungewöhnlich leer. Alle müssen einen Umweg in Kauf nehmen.
Nein, ich frage nicht, ich fahre weiter, ich will nach so einem Tag nicht auch
noch in die Berge. Und so bin ich plötzlich allein während der rush hour auf
dem verwaisten Boulevard. Bei Vons wird klar was passiert ist, da in
ganz Nordamerika überwiegend die Stromleitungen in den Städten oberirdisch geführt
werden, hat das Unwetter einige Leitung zerstört und auf ein Nobel Restaurant
gedrückt. Etliche Leiterwagen des Stromversorgers sind in der Ferne zu sehen.
Den Sunset Blvd. hinauf, bin ich fast vor dem Haus, in dem
ich gestern schlief. Den Berg hinauf und.. oh ne, es kommt an diesem Tag zu
etwas, was sonst sehr selten vorkommt. Ich hatte mir am Morgen nur sehr flüchtig
die Umgebung eingeprägt, nun sieht es in diesem Teil der Stadt plötzlich alles
gleich auch und ich kann mich nicht mehr erinnern, wo Neal und Cyntia wohnen.
Im Grunde habe ich nichts. Keine Adresse, keine Notfall-Telefonnummer, wie war bloß
nochmal deren Nachname? Es ist 16:00h es schüttet nun seit 12Stunden, ich bin
klitschnass und im Moment ohne Orientierung.
Das ist der SuperGau. Die Straße rauf und runter,
eine andere Straße; ich kann mich partout an nichts erinnern. Großartig.
Kurzfristiger Ausfall des sonst so verlässlichen inneren Navigationssystems.
Ich sehe mich schon draußen übernachten, obwohl ich ganz in der Nähe bin.
Goldstein, immerhin der Nachname. Aber in diesem Wohnviertel
ist es wie in vielen anonymen Wohnvierteln in Deutschland. Die Leute kennen ihre Nachbarn
nicht. Goldstein? Nie gehört.
Wenn man in Amerika durch solche Wohnsiedlungen fährt, fällt
man zwangsläufig auf. Es patroullieren bewaffnete Ordnungshüter durch die
Strassen. Es dauert nicht lange, da werde ich gestoppt. Oh, schön, hey
Sir, I have a problem, I got lost, may you can help me, Iam looking for my
host. Ja denkste, der Typ ist kein Helferich, wie ist ihr Name?, Wieso, Was machen Sie hier? Sagte ich doch schon, Wo
kommen sie her?
Ich kann es nicht fassen, es schüttet aus Eimern und der Wachtmeister in seiner Fantasieuniform entdeckt in mir eine suspekte Person, anstatt mir zu sagen, wie ich in meinem Aufzug zu Cyntia komme. Es wird langsam dunkel. Hören Sie, gleich ist es dunkel, falls ihnen das nicht aufgefallen ist, es regnet seit12h und ich weiß nicht so recht, wo mein Gastgeber wohnt, können sie mir helfen?
Fehlanzeige, der Wachhabende, mexikanischer Herkunft ist
entweder nicht in der Lage mich zu verstehen oder er will es schlicht weg
nicht. Da aber in diesem Teil des Landes tausende Homeless people unterwegs sind,
wirken Fremde Personen anscheinend suspekter, als die nahe liegende
Möglichkeit, da weiß jemand kurz vor Dunkelheit nicht wie er unter die heiße
Dusche kommt.
Ich muss es alleine versuchen, Hilfe ist von ihm anscheinend
nicht zu erwarten. Das Drama dauert gut eine Stunde, dann ist es dunkel, bis dahin habe ich mehrere hilfreichere Nachbarn gefragt und sämtliche Seitenstraßen kennengelernt. Man muss dieses Gefühl einmal erlebt haben, Orientierungslosigkeit ist ein fürchterliches Gefühl.
Als ich endlich das Haus entdecke und Neal in der
beleuchteten Stube entdecke, kann der zunächst kaum verstehen, wie sich die
letzte Stunde angefühlt hat.
Geh’ erstmal unter die heiße Dusche, dann sehen wir weiter.
Manchmal ist der Preis für eine heiße Dusche nicht mit Geld
aufzuwiegen.