tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Freitag, 20. Juni 2014

Ft.Nelson

Do.,19.6.
Back in zivilisation, eine mückenfreier Ledercouch, large Coffee, double double, leider auch die übliche hektische schrille Lautstärke. Aber nach 4,5 Tagen Wildnis nehme ich die sogar gerne hin. Geräusche der Zivilsation.

Nicht dieses unangenehme, permanente Summen, das mich seit Tagen umschwirrt.
Ich habe Ft. Nelson erreicht, gut 5000 Einwohner groß, als Vorposten in der Wildnis vor 200 Jahren gegründet. Heute Standort der größten Erdgas Kompressor Anlage mit 3000PS hier im nördlichen BC. compressor-stations
Tim's Kaffeestube steht am Ortsanfang von Ft. St.John kommend. Man glaubt gar nicht, wie die Vorfreude auf den baldigen Besuch des Kaffeehauses auf den letzten Kilometern motivieren kann.
Zufriedenheit stellt sich ein, obwohl ehrlich gesagt, ich könnte meine Beine mit einer Massgebürste behandeln, es juckt ohne Pause an den diversen, jetzt zu dicken Beulen aufgeqollenen Stichen.

Jackfisch Creek

Zeltwand innen am nächsten Morgen
Mi.,18.6.
Die fressen mich auf.
Mücken belagern das Zelt. Ich höre sie, sie riechen mich. Obwohl ich gestern abend ausgiebig gebadet habe.
Irgendjemand hat mir erklärt durch reichlich Seife, würden sie mich nicht so schnell finden, alles Quatsch.

Nur jetzt keine falsche Aktion, alles zusammenpacken, dann das Innenzelt auf und die Jungs überrumpeln, schnell sein, es wird eine Zeit dauern, bis sie eine Stelle im Vollzeug oder an der Hutkrempe gefunden haben, dieser kunstvoll von Ellinor gestalteten AntimückenHut, die Zeit ist mein Vorteil. Schnelligkeit ist das Gebot der Flucht.

Alles muß an's Rad. Das Rad muß erneut durch die Furt und das ist der Schwachpunkt in meiner Verteidigungsstrategie, Strümpfe aus, Vordertaschen wieder ab und mit dem Rad durch den Morrast. 2m breiter, 20cm tiefer mooriger Waldboden.
Ich hasse sie, so oft habe ich sie in letzter Zeit gesehen, diese unterbeschäftigten, möchtegern-harten Männer, die mit ihrem Quad, sie neenen es hier ATV, seitlich neben dem Highway durch den Modder fahren und damit die Feuerschneisen aufwühlen. Aus Freude am Fahren. Gib alles, sei ein harter Typ.
Brutgebiete

Start. Um es kurz zu machen, man muß auch mal verlieren können, sportlich sein, das Rad geht nicht elegant durch den Sumpf, alles dauert viel zu lang, ich komme nicht schnell genug an die rettende Strasse. Vorallem aber herrscht wieder kein Wind an diesem Tag. Rettender Wind. Absolute Flaute.

Wochenlang hat er mich gequält, aber heute, wo er gebraucht wird, ist alles still. Und total schwül. Und es sind einfach irre viele Mücken. Unglaublich, hatten wir so etwas jemals zuvor?
Wie kann es sein, das man sich immer wieder antut? Da fahren wir seit mehr als 10Jahren in die Epidemie  Gebiete dieser Brut Nordskandinaviens und jedesmal sind wir am schreien, fluchen, toben, und nächstes Jahr planen wir gleich wieder eine Reise in die Richtung und sagen uns, so schlimm wird's diesmal schon nicht werden.

Und im Moment ist es unvorstellbar, ich strampele im Vollzeug den Berg hoch, ich schwitze, die Mücken holen auf, beim umziehen bin ich umzingelt. Wie gesagt, nackte Männerbeine und north BC, das passt nicht zusammen.

Es wird so bleiben, noch 139km geschätzte Km bis Fort Nelson. Ich freue mich auf Tim Horton, auf Kaffee. Reichlich Kaffee.
Mit etwas Glück könnte ich heute noch einmal richtig bolzen und käme bis auf 10km heran.
Wunschträume. Die schnell von der Wirklichkeit eingeholt werden. Drei Anstiege in Folge und ich gebe resigniert auf. War sowieso kaum zu schaffen, also mach langsam.

Dann kommt doch noch etwas Hoffnung auf. Prophet River wird angeboten und das Ortsschild weist deutlich auf eine Tankstelle mit Restaurant hin. Nach 45km ein Pause, KAFFEE! Vielleicht ein Neustart.
Zwar hatten alle die Existenz dieser Tankstelle verneint, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Es ist ein Fake auf meine Kosten, das Motel, die Tankstelle sind geschlossen, Kaffee gibt es hier seit 9Jahren nicht mehr, wie alte Kalender bei der Exkursion zeigen. Sie haben einfach das Schild nicht entfernt. Der Ort ist vor langer gestorben und zur Ödnis geworden. Ein Pausenplatz für Trucker. Die verfallene Holzkirche mit der einladend offenen Tür zeugt von einer Vergangenheit die lange passè ist. Da hilft auch das einzeln stehende B&B nicht mehr. Also weiter.

Und auch wenn ich es nicht jeden Tag erwähne, es ist der Wahnsinn hier zu fahren. Die Strasse hat eine beeindruckende Qualität an diesem heutigen Tag, der Verkehr ist kaum zu spüren, an einem Werktag,  alle 20min überholt mich ein Auto, 2 Trucks, dann herrscht wieder Stille. Fahrradfahren in der Einsamkeit, auf Strassen, die am Horizont enden.


Prophet River

Kaiserwetter

Di.,17.6.
Gott hat(leider) auch die Stechmücke erschaffen
Die Sonne steht schon hoch um 07:00h, wolkenloser Himmel. Kaiserwetter. Jetzt aber los. Es gibt keine Mülltonne weit und breit, also muss der Müll bis zur nächsten Garbage barrel mit. Unregelmäßig tauchen am Highway bärensichere Mülltonnen für Reiseabfälle auf. Und doch sind die Strassen voll mit Flaschen, Kaffeebecher, Windeln.
Ich habe mich entschlossen, das letzte Buch der Reise, diesen dämlichen, autoaffinen Reiseführer zu entsorgen, es tut mir in der Seele weh, 25€, einfach in die Tonne zu werfen, fast ungelesen. Und dennoch nur Ballast.Und die VisitorCenters bieten eine excellente Auswahl an Karten, Routenvorschlägen, etc., die den weiteren Transport überflüssig erscheinen lassen.

Brake check vor der Abfahrt nach Sikanni
Die Anstiege sind moderat, dann erscheint das Hinweisschild Brakecheck. Mein neues Lieblingsschild. Ein sicherer Hinweis, dass gleich eine Mörder-Abfahrt bevorsteht. Was willste machen, durchbremsen, bis die Bremsbacken abgenudelt sind, oder einfach rollen lassen? Ich entscheide mich immer für das alte Rennfahrer Motto, wer bremst, wird zweiter

Abfahrt zum Sikanni River RC Camp. Vor dem Campingplatz liegt der Fluss und die Brücke taucht erst spät auf und erst im letzten Moment werden deutliche Strassenschäden im Brückenansatz sichtbar. Zu spät gesehen, ich rase über die Schlaglöcher. Die Tachonadel schlägt bei 72,3km/h an, da wäre noch etwas mehr drin gewesen, aber die Strecke ist im oberen Teil sehr  kurvenreich.
Sikanni river chief RV Camping, leider geschlossen
Jetzt ein Kaffee. Leider haben die Pächter es an diesem Morgen nicht so schnell, um 9:30h ist noch geschlossen, such’ Dir einen Platz und zahle später, steht auf dem Schild. Das ist doch nicht möglich, am Werktag. Wirklich schade.30$ für einen Platz ohne Strom, aber mit Duschen.

Völlig enttäuscht muss ohne den Schwarzen wieder raus aus dem Tal. Das bildet die ganze Misere der Reise ab, erstens gibt es generell überhaupt zu wenig Support und dann zweitens auch noch geschlossen. 
Der erste Bonebraker des Tages, es zieht sich über mehr als 4km, bis die letzte Steigungsequenz abgearbeitet ist.
20km später kommt Buckinghorse River Lodge. Restaurant, Gasolin station, Campground, Greyhound Haltestelle und auf der anderen Straßenseite ein gleichnamiger PP für 16$ ohne alles, Mücken inklusive, und eine Erdgaswohnsiedlung.
Buckinghorse river lodge
45$ kostet die Fahrt mit dem Greyhound bis nach Ft. Nelson, der Bus geht hoch bis nach Whitehorse, mein doppeltes Netz.

Der Fahrer macht Mittag, dann trommelt er lautstark die Reisenden zusammen, nach Bucking Horse kommt keine offizielle Haltestelle mehr. Aber man versichert mir, würde ich an der Strasse winken, würden sie halten, na hoffentlich. Aber im Moment herrscht auch kein Bedarf.
Ich frage, ob noch weiter nördlich ein Laden geöffnet sei, die Antwort ist unmissverständlich, nein, wie weit ist es nach Fort Nelson, two hours, heißt also 200km, oder 2 Tage für mich. 
Lässig, wie sie das raushauen, two hours.

Sikanni Chief Airport

Esso Wonowon

Mo.,16.6.
Ich komme die Berge kaum noch hoch
einstmals mit 25% die berüchtigste Steigung der Strecke
Nun hat es sich doch noch einmal entschlossen zu regnen. Obwohl nach Westen noch eitel Sonne zu sehen ist. 

Ich liege im Zelt, irgendwo zwischen Sasquatch Crossing und Sikanini Chief River Camp. 85km stehen auf der Uhr. 

Wo ich genau mit meinem Zelt stehe, ist nicht so ganz klar, mindestens 4 verschiedene Kmberechnungen auf verschiedenen Karten habe ich zur Auswahl. Alle differenzieren zum Teil etliche Kilometer von einander.
Aber das ist im Moment nicht so wichtig, ich bin fix und alle. Mehr als 85km waren heute einfach nicht drin, ich mußte abbrechen. Die Beine wollten nicht mehr. Die Fortsetzung  muß neu durchdacht werden, wenn der Regen wieder aufhört.


Es lief nicht gut von Anfang an. Gestern Abend begann es 23:00h begann es zu regnen und hörte auch zum Abbau nicht wieder auf. Kaffee bei Esso und hoffen, das es draussen etwas besser wird.
Der Tankstellenparkplatz hatte sich in eine schlammige Fläche mit hunderten von Schlaglöchern verwandelt.
Erdgasarbeiter Siedlung
Start im Dauerregen gegen 09:00h. Und Berge, nichts als Berge. Als die Eiszeit sich zurückzog hinterließ sie eine Buckelpiste und 1942 beim Bau des Highway, muss Sprengstoff verdammt knapp gewesen sein. Die Strasse nimmt keine Rücksicht auf vollgepackte Tourenfahrer, die für mehrere Tage das Essen mitnehmen müssen. Kaum bin ich oben, rast die Strasse mit mir wieder hinunter, nur um unten wieder erneut zu starten. Zwar ist es nicht ganz so steil wie in den Foothills rund um Grande Cache vor einigen Tagen, aber es summiert sich im Laufe eines Tages.

Ich könnte 3x schneller sein, wenn die Strecke etwas ebener wäre. Elli wird später sagen, der Weg ist das Ziel. Und der wird eintönig, kurz nach Wonowon, nach den letzten Containersiedlungen für Erdgascrews, verschlingt mich die grüne Masse. Danach passiert nichts aufregendes mehr. Bis auf, das an einem xtem Berg plötzlich ein Pickup neben mir hält und der Fahrer mir zu ruft just seen a black bear across the road. Schön. Wenn ich denn überhaupt mal wieder einen sehen würde. Aber vielen Dank. In der letzten Zeit sah ich ja meist nur das Hinterteil der  Bären. Und vor allem hinter mir. Ich bleibe stehen und schaue im Regen mehrere Minuten zurück, den Abhang hinunter. Soll wahrscheinlich heißen, wo ein Bär ist, sind auch mehrere. Aber es bleibt alles regungslos grün.
 
Heute ist Tag 2, noch 3 weitere folgen bis Fort Nelson. Gegen 11:00h gehen die Wolken in standby modus. Die Strassen voraus sind ohnehin trocken.
Bis 12:00h habe ich ein gutes Dutzend Anfahrten hinter mir , dann folgen bis 14:20h 3 schwere Bonebraker hintereinander. Ich spüre jeden Muskel bei den nicht enden wollenden kurvigen Anstiegen, rase mit knapp 60km/h zu Tal und bin über 30min dabei wieder aufzusteigen. Die Erholungsphasen sind zu kurz. Nirgendwo eine Pausenmöglichkeit. 
Gestern tauchte tatsächlich ein Restplace auf, aber es fehlte das sonst übliche Hinweisschild auf den nächsten. Man kann letztlich nur stehen bleiben oder auf eine Leitplanke warten. Es gibt vor allem einfach keine Geradeausstrecken. 
Irgendwie habe ich jedesmal das Gefühl der berüchtigte suicide hill ist immer noch im Geiste existent.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Steffen, der mir zur Erleichterung vorschlug, doch auf die technische Raffinesse eine E-Bikes zu setzen, aber er hat ziemlich schnell eingesehen, das ich mich aus dogmatischen Gründen niemals auf die Art der Perversion des Fahrradfahrens einlassen würde. Entweder aus eigener Kraft oder gar nicht. Also mit Pfeifen aus dem letzten Loch.
In Pink Mountain treffe ich Steve aus Minnesoata/USA, der mit seiner großen BMW nach Inuvik unterwegs ist. Er macht ein Foto von mir und dem Rad.  Inuvik am Dempster Highway, das war auch mal eine Idee, aber die fehlenden foodstores, mein Radius, und vor allem die Anstiege, kurz, die Streckenrealität, läßt alle großen Ideen als Fantastereien erscheinen.
Mehr als 7h auf dem Rad und kaum 75km geschafft. Ich hatte Zeit zum Nachdenken, ich trage zu viele Dinge mit mir herum, die ich nicht benötige, seit 80Tagen nicht benötigt habe, oder bisher nicht getragen habe.