tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Donnerstag, 17. Juli 2014

Kitwanga

Moore entstehen in alten Rodungsflächen


Mi.,16.7.
(Fast)Am Ende des Highway 37
Nichts gibt langweiligeres, als tägliche Wiederholungen. Und doch hat sich auch heute Morgen nichts verändert. Die Mücken haben sich über Nacht im Vorfeld gesammelt, der Wind hatte am gestrigen Abend zwar für 3h auf Sturm gemacht, aber nun herrscht wieder die hinreichend bekannte, stickige Flaute. Bevor das Fahrrad überhaupt auf der Strasse ist bin ich bereits in den Regenklamotten durchgeschwitzt.
freie Sicht bergab für 7,8km
76km stehen heute auf dem Plan, dann ist der Highway 37 Geschichte und schließt an den Yellowhead Highway, Hwy No#16, an. Wie immer, kann ich mich auch heute auf relativ kurzen Strecken einstellen, ich will es dann immer gerne (zu)schnell hinter mich bringen, zu verlockend ist die Aussicht bereits gegen Mittag bereits in Kitwanga zu sein.

Ich merke meine eigene Ungeduld, dabei ist es heute fürs erste der letzte Tag in der Wildnis. Und heute ist sogar der mit Abstand einfachste Tag, was das Streckenprofil angeht. Bis auf zwei schwere Anstiege geht es im Grunde  nur sachte bergab, bei erstklassiger Strassenqualität.
Also im Grunde ein letzter Tag zum Genießen. Aber der Genuss will sich nach 4 Wochen Mücken und Strapazen nicht so recht einstellen, selbst heute bleibt es bis 30km vor Schluss ein Kampf mit den Insekten.
Möglicherweise hatte der Koch des Beaver Post Motels doch Recht mit der Behauptung, es viel leichter den 37er nach Süden, als den AlCan nach Norden zu fahren.
Dabei ist es nicht allein das Streckenprofil, sondern eine ganze Reihe von beschriebenen Widrigkeiten, die die Fahrt zur Strapaze werden ließen.
ehemalige Anglikanische Kirche

Um deutlich zu machen, was ich meine ein Beispiel: Wenn ich auf dem Oder Neiße Radweg 3 Tagen lang mit 180km/tag längst düse, ist das auch eine Strapaze, aber eben keine mit Mücken, witzigen Steigungen und fehlendem Essen.

Ich spüre, dass ich zu wenig zu trinken habe, aber es lässt sich an diesem heutigen Tag nichts mehr auftreiben. Kein Wasserfall kommt aus der Wand, kein RV hält neben mir. Und auf den letzten 30km klebt die Zunge am Gaumen. Das dauernde Durstgefühl peinigt. 
Im Grunde müsste man bei dieser Anstrengung zwischen 6-7Liter täglich zu sich führen. Es ist auch heute unbeschreiblich heiß. Heiß und schattenlos.
Dollops alte Tankstelle
Später am Abend werde ich erfahren, dass zur Zeit über 100 Waldbrände im Norden BC's wüten.


Die finale Schussfahrt beginnt bei Km 9 vor Schluss und endet in einem fürchterlichen Gegenberg, erst danach wird Kitwanga angeboten, zu früh gefreut.
Ich rolle im Ort aus und stoppe mitten im Ort direkt vor dem Einkaufsladen. 13:00h, Kitwanga,knapp 500Einwohner. Die Luft steht, die Hitze brennt auf der nackten Haut.

Zwar fehlen noch tatsächlich noch 4,7km bis zum Anschluß an den Highway 16, aber gefühlt ist der 37er jetzt Geschichte. Kitwanga, das ist der Sprache der Gitxsan First Nation Gitwangak heißt kann auf Spuren einer mehr als 5000 Besiedlung  zurückblicken. Gitxsan First Nation

Einen Tag früher als geplant, es entwickelt sich ein hohes Zufriedenheitsgefühl.
Und ich höre zum ersten Mal wieder die Canadian National Rail, die Zivilisation ist nahe.
Im Dorfladen gibt es 2 Kaffee zur Auswahl, ein breites Sortiment an Glücklichmachern und ein gut gepflegtes Generalstore Programm, von der Schaufel bis zum Kupferdraht.   

Der Meziadin Pass



Di.,15.7.
Die Kantine in der Wildnis
Was nützt die schönste Grünanlage, wenn der Nachbar zu laut ist; irgendwann in der Nacht stellt sich ein 63to mit einem Mutanten-Kühlaggregat im 10m Abstand auf den Rastplatz und das Ding macht einen irren Lärm. Gegen 02:00h wache ich auf, öffne die Zelttür und starre auf eine graue Wand. Ich muss etwas tun, was ein absoluter NoGo ist, Earprops in der Wildnis. Entweder schlafen oder dem Kühlschrank lauschen.
Wenn schon, dann will ich den Bären wenigstens hören.
Elch am Morgen

Gegen 06:30h ist Arbeitsbeginn für den Trucker, danach ist es wieder still.
Um 07:00h erscheint ein Charterbus von First Canada, übermüdete Touristen in langen Hosen steigen aus, haben eine Rauch/WC-Pause und bestaunen die drei kleinen Zelte wie Zoobesucher.
Auch das geht vorbei.

Heute könnte es unangenehm werden. Clink, der amerikanische Biker, zeigte mir sein Streckenprofil und Hidashi fuhr gestern nur 38km, wegen des Passes, wie er sagte. Gleich hinter der Brücke geht es hoch. Nur knapp 40km ist er gefahren, heja, hört sich nicht gut an.
Ich muss darüber, nützt ja nichts. Irgendwie muss es gehen und ich rechne mir mind. 60km für den heutigen Tag aus, jeder Kilometer mehr wäre besser. Hätte Clink mir bloß nicht das Streckenprofil gezeigt.
Hidashi geht nach Norden, will aber noch warten, weil seiner Meinung nach die Bären morgens so aggressiv sind und Tanekomo braucht dringend Essen, er überlegt ins 60km entfernte Stewart zu fahren.
Ich bin als erster unterwegs und schnell wird klar, das geht an diesem Morgen richtig zur Sache. Ein echter Bonebraker Anstieg, ich bin froh, das ich früh losgefahren bin, zu einem späteren Zeitpunkt wäre die Hitze kaum auszuhalten.
Und jetzt kommt etwas, das ist typisch für Canada. Die Amerikaner haben mir erzählt, da wäre eine Riesenbaustelle und wenn man da fragt, kann man Essen und Getränke kaufen. Vor allem aber Kaffee schlappern. Natürlich gibt es keinerlei Hinweis auf eine Cuisine, als ich das Baufeld erreiche. 

Vielleicht in einem Jahr, wenn die Zapfsäulen angeschlossen sind. Zur Zeit sieht man nur reichlich Wohnbaracken und eine sich entwickelnde Großtankstelle. Es ist dem europäischen Betrachter nicht ohne weiteres klar, warum hier im Nichts so eine Tankstelle entstehen muss, aber der Blick in meinen Alt-Milepost zeigt früher war hier mal ESSO.

Enttäuscht stolpere ich über das Baufeld, bis einer der Maurer schreit, eyh,brauchst Du Hilfe? Ne, aber ich hatte gehofft es gibt einen Kaffee. Und jetzt kommt’s, jo, dann geh mal da in das große Haus, das ist unsere Kantine, da bekommst Du alles, was Du willst. Über den Bauschutt geklettert und tatsächlich, Schlaraffenland ist direkt hinter einer Bautür versteckt.
Die neu entstehende Tankstelle
Es gibt verschiedene gekühlte Säfte, Kaffee satt, Sandwiches, Joghurt und obendrein eine  perfekt eingerichtete Großküche. Für alle Malocher in der Umgebung arbeitet diese Küche, man kann sich registrieren lassen und schon geht’s los. Für mich gibt’s Kaffee für 2$ und die Küchenkraft fordert mich auf nimm Dir noch ne Banane. Nun, nach drei obstlosen Tagen, darf man auch mal ungienant sein. Vor allem aber gibt es Frischwasser. Das ist das Wichtigste an diesen heißen Tagen. Mit 7Liter geht’s los.
Jeremy aus Lille

Ich bin mir nach wie vor nichts sicher, ob meine Richtung, von nord nach süd, die Leichtere ist, zu mal meist Südwind weht, wenn er denn weht. Heute nur stundenweise. Den mir nun bekannten Weg nach Norden würde ich jedenfalls im Moment nicht noch einmal fahren wollen.

Bell1 Highwy Restplace-ich gebe nichts mehr auf Streckenprofile



Mo.,14.7.

Et kütt wie et kütt
Wir erwarten den heißesten Tag des Juli. Da ich gestern gut vorgearbeitet habe, ist es heute nicht weit bis zur Bell 2 Lodge. 

Nur knappe 40km. Zunächst geht es im Schatten der Berge den Fluss entlang. Die Strasse bleibt weitgehend flach. Vermehrt sind Flächenrodungen zu sehen. Große Areale der Natur sind an die Holzwirtschaft verkauft worden. Zurück bleiben kahle Flächen, oder neu gebildete, moorähnliche Seen mit Baumstümpfen.
10km vor der Lodge beginnt dann eine wunderschöne Abfahrt und man rauscht über die metallgedeckte Brücke des Bell Rivers auf den Hof des Anwesens. Auch heute wieder reinste Postkartenmotive.
Die Lodge bietet eine rundum Versorgung. Von Tankstelle bis Campingplatz. Alles mitten im Nichts. Es gibt sogar 50Mb wifi für lau. Mit 2$ für einen guten Kaffee kann ich mich zum Aufladen meines Rechners zurückziehen.


Ellinor spricht ernst über die anhaltende Mangelernährung. Ja, so muss man das wohl sehen. Bewußt in Kauf genommene Mangelerährung. Wie willste auch zu Deinen Kalorien kommen? Zwar zähle ich manchmal die Packungsangaben zusammen, aber es reicht hinten und vorne nicht. Und man kann eben nur das kaufen, was angeboten wird. Frucht und Gemüse zählt nicht dazu. Seit der Fahrt von Radium Hotsprings nach Banff gab es nun immer wieder Phasen ohne Möglichkeit Essen kaufen zu können. Essen musste für mehrere Tage mitgeschleppt werden.
Da kann da ein Tag im Vollangebot nichts ausgleichen.
Alles ein Problem der Logistik. Deshalb bestelle ich zur Feier des Tages in der Lodge Burger mit Fries. Es sieht für die nächsten 3 Tage knapp aus mit der Möglichkeit unterwegs einkaufen zu können.Der Burger ist dann aber auch so klein, dass die ganze Kalorienrechnung nichts taugt.
Clink aus den USA

Wieder auf dem Highway kommen mir 10min später zunächst Clink und dann noch zwei amerikanische Fahrer entgegen. Auch sie gehören zu einer 10köpfigen Gruppe, die adventurecycling.com ins Rennen schickt. 
Auch Ihr Ziel ist der Denali NP in Alaska. Anreise auf eigene Kosten. Bemerkenswert an Ihnen ist, das sie alle ein Alter jenseits der 60 haben. Da biste echt platt. Gut, die sind nicht so beladen wie ich, aber immerhin. Meinen absoluten Respekt. Da bin ich echt begeistert. 
Die Parade der 60jährigen...

Außerdem sind deutlich mehr Amerikaner auf dieser Strecke unterwegs als Canadier.
Natürlich sind Vorurteile wenig hilfreich im allgemeinen, aber welches Wort assoziiert man mit Amerika und Fortbewegung, alles, aber jedenfalls nicht Fahrrad.

Mein Ziel ist der Bell I Highway Rastplatz, aber mit einem Burger im Magen und mehreren guten Kaffee sind 60km in der Mittagszeit bei Hitze, genauso weit, wie der Weg zum Mond. Ich verhandele mit mir, ob es nicht ein bisschen weniger sein darf. 
Es herrscht auch heute kein Wind. Sobald ich stehen bleibe, dauert es 2 Minuten und ich bin umschwirrt von Beißfliegen. Neu am Start ist am Nachmittag eine Art güngelber, 4mm groß, den Silberfischen in den Schmutzleisten der Badezimmer ähnelnder Flieger, der ebenfalls sticht. Es hat so etwas von bayerischen Holzschuhtänzen, man sitzt auf einer Leitplanke und kann sich im 10Sekunden Takt die Arme und Beine klatschen. Nach 10min steht man auf und fährt frustriert weiter.Seit 3 Tagen geht das nun schon mit dieser Beißfliegen Welle. 

Auf dem Alaska Highway waren die nicht zu sehen.
Gegen 15:00h dann wieder völlig spontan Bärencrossing. Bisher habe ich jedes Mal Glück gehabt. Immer gab es genug Abstand im Vorwege. Von einer erhabenen Lässigkeit quert der große Schwarzbär die Strasse.
Mein Pfeifen lässt ihn kurz in meine Richtung schauen, dann geht er weiter und setzt sich an den rechten Straßenrand. Ja und nu? Kein Auto, kein nichts, Bärenpause. Es dauert gefühlt 15min bis das nächste Auto erschein und Meister Petz ins Dickicht scheucht. Es bleibt dann immer die spannende Frage: ist er weg?
Man kann es nicht leugnen, an diesem Tag verläuft der Streckenabschnitt ziemlich eben. Grund genug auch an diesem Tag ein wenig mehr zu tun und für den morgigen Tag vorzubauen.
Clink hatte mir das Streckenprofil seines Veranstalters gezeigt. Es sieht nicht gut aus. Es sieht nach schieben aus. Genau da ist das Problem. Wenn die Senioren das wuppen, darf ich mich dann hinstellen und sagen, ich hab kein Bock mehr, ich hoffe auf einen Pickup? 

Eben, geht nicht.
Da fahren 69jährige den Pass hoch und das heißt ein wenig Radfahrehre muss schon noch sein.
Wenn ich eines wirklich  in nächster Zeit missachten werde sind es Wettervorhersagen und Streckenprofile. Haste erstmal so was im Kopf, macht es nur nervös. Et kütt wie et kütt. Es kommt wie es kommt, sagt der Rheinländer.
Am Abend treffe ich dann noch zwei Amerikanos. Don fährt auf einem wunderschönen Atlantis Bike, wirklich schick und seine Begleiterin Sally ist mit 67 Jahren die Älteste der Gruppe und gleichzeitig der Tourleader, dieser 10erGruppe. Sie sind 5h später dran denn sie brachten einen Teilnehmer ins 70km entfernte Stewart zum Arzt. Diagnose Körperliche Überlastung.
Wenn die Viecherei nicht wäre hätten wir noch ein wenig mehr geschnattert, so sind wir alle froh, wieder in Bewegung zu sein.