tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Dienstag, 31. März 2015

Der letzte Tag


Di.,31.3.2015
Das Jahr ist um 
Es ist der letzte Tag. In weniger als 24h werde ich wieder ins UKSH einrücken und endgültig zurück sein im regulären Arbeitsleben.
Ein großartiges Jahr liegt hinter mir, ein einmaliges Jahr, auch wenn auf Grund der Umstände nicht alle Pläne und Wünsche in Erfüllung gingen, so bot das Jahr doch vieles mehr als von mir je erwartet.
Deswegen noch einmal ein stiller Dank an alle Leser, Freunde und Sponsoren, die diesen Blog gelesen haben und mit mir über die 9 Monate verbunden waren. 

Es war ein Jahr der Freiheit und Unbestimmtheit, ein sehr persönliches Jahr. Niemals zuvor und wahrscheinlich auch niemals wieder habe und werde ich eine solche Zeitlosigkeit erfahren. Ich glaube rückblickend, das es das hervorstechende Erlebnis dieses Jarhres war. Die Zeitlosigkeit. Die Sonne ging auf und irgendwann unter, dazwischen lag nichts, außer scheinbar endlose Zeit. Über Jahre hatte ich mich im Berufsleben über die nie verrinnende Zeit beklagt, während in der Freizeit die Zeit immer wie im Flug vergehen würde.
In diesem Jahr habe ich Zeit nicht rennen sehen. Zeit war immer da.
Das war neu. In den Vorbereitungen ging es ja immer nur um technische Details, nie hatte ich mich vorher mit den Belastungen der Gefühlswelt auseinander gesetzt. Noch immer frage ich mich ungläubig, hast Du das wirklich alles alleine bewältigt? Nur Du? Und dann auf dem Rad?
Die letzten 12 Wochen habe ich seit dem 16. Dezember zu Hause verbracht. Ich empfinde es rückwirkend nicht als Nachteil, auf dieser Reise nicht in Ausstralien gewesen zu sein. Im Dezember war nach 9 Monaten leben auf der Strasse auch eine gewisse Erschöpfung da, ich war zum Schluß in Los Angeles zufrieden, das es zu Ende ging.
Es bleibt nur ein sehr kleiner Wermutstropfen, eben nicht alles erreicht zu haben.
Das Jahr hat viel Kraft gekostet und ich brauchte in den ersten Wochen nach meiner Rückkehr eine ganze Menge Zeit, um wieder den Boden unter den Füßen zu bekommen.
Der von vielen Langzeitreisenden beschriebene Aufprall in die Normalität des Alltäglichen zurück war hart. Nie zuvor hatte ich nach einer Rückkehr aus einer 6 wöchigen Urlaubreise das so gespürt.
Zeitweilig fragte ich mich, ob diese Antriebslosigkeit der Beginn  gar einer depressiven Verstimmung gleich zu setzen sei.

Es war als wenn mein Leben mit hoher Geschwindigkeit unvorbereitet aus einer anderen Welt in dem Diesseits aufschlägt. Welcome back Frank, unvorbereitet.
Alle Versuche Ellinors mich ob der von ihr befürchteten Langeweile gleich wieder los zu schicken, waren gut gemeint, scheiterten aber an meiner Unfähigkeit mich nach der Rückkehr noch einmal aufzuraffen. Ich spürte wie bald im Januar eine schwere Behäbigkeit einsetzte, ungewohnt für meine sonstige Begeisterung zu reisen, aus der Routine auszubrechen; ich genoß es einfach nur im Haus zu sein und scheinbar antriebslos die Zeit zu genießen. Es war so, als würde ich am liebsten noch einen großen Zaun um das Haus bauen, um eventuelle Störungen von außen so gut es geht zu minimieren.

So haben wir in dieser Zeit wenig Freunde besucht, kaum Verabredungen gemacht. Ich war noch nicht für den Alltag bereit. Meist fühlte ich mich nicht richtig wohl, irgendwie fehl am Platz. Spürte das flüchtig Vorrübergehende.
In mir waberte ich die enorme, zeitlose Stille und ich wartete innerlich auf das erneute Aufbruchssignal. So wie in den Tagen in den USA, als es nach kurzen Pausen wieder weiter nach Süden ging. Es kam nicht mehr. Die Sesshaftigkeit wurde von Woche zu Woche stärker, als der Drang in die Freiheit.

Der von Ellinor gutgemeinte Urlaub in Pommern verfehlte ein wenig seinen Sinn. Ich war noch nicht bereit zum reisen. Auch für den sonst jahrelang frühzeitig geplanten Sommerurlaub fehlt erstaunlicherweise in diesem Jahr der Antrieb. Ungläubig schaute Ellinor mich an, als ich ihr sagte, wir können auch hier auch zu Hause bleiben. Nach endlosen Gesprächen haben wir uns jetzt endlich für eine Tour entlang der Oder Neisse Linie entschieden. Ein wahrer Kurzurlaub.

In den letzten 2 Wochen hat sich etwas getan. Ich beginne allmählich innerlich zu akzeptieren, das ich hierher gehöre. Während ich die ersten 10 Wochen mich mehr wie im Pausenmodus befand, ist die Bodenhaftung nun etwas voran geschritten.
So werde ich von Tag zu Tag unruhiger, ob des ersten Tages meiner Rückkehr auf die Station, auf der ich mehr als 19 Jahre ununterbrochen arbeite.
Das Gefühl nach Freiheit ist noch da und es gärt in mir. In diesen Tagen habe ich meinen Bike Rahmen zu Jens zurückgebracht. Einmal Werkstatt, einmal bitte neuaufrüsten, alles wieder in den Ursprungszuustand zurück versetzen.
Im Stillen beobachte ich mich, wenn ich Filme aus Kalifornien oder Canada sehe, wie ich in Erinnerungen abdrifte und an die einmalige Zeit zurückdenke. Mir wird dann warm ums Herz.
Ganz dem Wahlspruch vieler Extremsportler, der Schmerz geht, der Stolz (aber) bleibt !

Ich habe in letzten Wochen einige Berichte von Langzeitradlern gelesen, die auch teilweise Bücher im Hochglanzfromat veröffentlicht haben. Ich vergleiche ihre Touren unter den Umständen ihrer Enstehung mit meiner Reise. Nur wenige können den Unterschied und die Strapazen erkennen.

Ellinor hat ebenfalls bereits am Tag meiner Rückkehr angemahnt, die Manuskripte unbedingt in redigierter Form zu konservieren. Inzwischen sind mehr als 1000 Seiten fertig gestellt, aber die mehr als 350, teils mehrseitigen Einträge brauchen ihre Zeit und zwischendrin zweifelte ich oft an dem Sinn dieser Maßnahme.

Wenn Leute heute nachträglich mich zu meinem Blog beglückwünschen und bestätigen ihn gelesen zu haben, ist es mir, ob der Banalität und der vorhandenen Fehler peinlich ihn unter meinem Namen im Netz stehen gehabt zu haben. Die Fertigstellung wird noch einige Wochen dauern.

Es gibt ein Abkommen mit mir, ich selbst habe es abgeschlossen. Ich bleibe nun hier und werde mein altes Leben wieder aufnehmen, alles ist klar vertraglich geregelt. Aber in 9 Jahren plus X, ziemlich genau in 3334 Tagen, zu meinem 60. Geburtstag bin ich wieder auf Tour.
Und es gibt eine Ausstigesklausel. Sollte es nun nicht funktionieren, werden die 9 Jahre gekürzt.
In weniger als 24h beginnt die Laufzeit des Vertrages.