tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Samstag, 30. November 2013

Wie wir wurden, was wir sind Teil 1


Evangelisch methodistische Kirche Wilhelmshaven um 1980
Jeder hat ja so seine Vorbilder. There is a very scenic white wooden church in Andenes, the northernmost Village of the archipelago of the Vesteralen in the north Norway. Many visitors use the bypass trip to Tromsö for a whale watching event, by former whale hunters. We got married there, 2001, traveling by bike.

Ich war 14 Jahre alt, gut behütet, im autoritär, bis dahin eher unchristlich, aktiv geprägten 3 Kinder-Haushalt, Vater, Beamter, Mutter, zu Hause, als sich meine Welt zu verändern begann. Mit Beginn der neuen Schulsaison 1977/78 kam als neuer Mitschüler der Sohn des Pastors der evanglisch methodistischen Kirche in Wilhelmshaven in die Klasse. Zum ersten Mal bekam ich intime Berührung mit christlicher Religion. Bis dato hatte sich die familiäre Religiösität auf den Gottesdienstbesuch am Heilig Abend, der Taufe und der pflichtgemäßen Absolvierung des Konfirmationsunterrichtes erschöpft.

Noch heute muß ich in der Mitternachtsmesse am Heilig Abend jedes mal still grinsen, wenn ich daran denke, wie die Verwandten Klein-Frank während eines Kirchenbesuches bei der Textstelle zu "Stille Nacht, Heilige Nacht" anstubsten und raunten, Frank hast gehört, "Gottes Sohn heißt owie". "Hä"? "ja, hast nicht gehört?": "Gottes Sohn, owie lacht".
Im Jahr darauf erweiterte sich mein Horizont gewaltig! Gab es bis dahin nur den alljährlichen Sommerurlaub in Eutin bei Oma und Opa, fuhr ich nun plötzlich zum Lake Distrikt in Mittelengland. Drei Wochen Übernachtung im Zelt und zum Abschluß 3 Tage lang London. Mama war komplett aus dem Häuschen. Ich erinnere mich an den mit Schreibmaschine geschrieben, inseitig im Koffer angebrachten, Ausstattungszettel, der Schlafsack war vom Nachbarn geliehen, die Luftmatratze war die familieneigene Sommer-Bade-Unterlage. Outdoor Ausstattung war bis zu diesem Zeitpunkt nie benötigt worden, funktionelle Kleidung gänzlich unbekannt.

Möglich gemacht hatte das der Vater des neuen Schulkamaraden. Der Pastor der Kirchengemeinde. Aufgrund seines Vornames nur unter seinem Spitznamen "Elo" bekannt. Im Jahr darauf gab es schon Wanderkajaks und die Fahrt ging ins Saimaa Seengebiet in Finnland. Wieder mit dem blau lackierten "Firmenwagen". Er war ein Organisationstalent. Und hatte durch seine junggebliebe Art, den Kontakt zur Jugend nicht verloren. Das war für mich in der Zeit sehr wichtig. Ich begann mich bereits aus der elterlichen Wohnung zu lösen. Die Spannungen nahmen  zu. Wenn einer dazu beigetragen hat, mich in dieser Zeit zu stabilisieren, dann war er es.

WSA Wilhelmshaven, 1982 Elektronikasubildung
Einige Jahre bin ich jeden Sommer mitgefahren, bin in die Gemeinde hingewachsen und habe die Spiritualität des christlichen Glaubens einer Freikirche kennengelernt. Irgendwann war Schluß, wir hatten uns aus den Augen verloren, ich lebte in Hamburg, machte Zivildienst und lebte zwischenzeitlich in Winterthur. Aber auch wenn ich heute, 30 Jahre später, irgendwo im Baltikum Guerilla Camping mache, dann denke ich manchmal an ihn zurück. Er hat mir alle Grundlagen des Übernachtens im Freien beigebracht, wie ein Zelt zu stehen hat, etc. und die Saat gelegt, für diese Art des unanpassten Urlaubs. Vor einigen Jahren ist er gestorben, er hatte noch meine erste Ehe getraut; sie scheiterte nach 5 Jahren, es muß ihn getroffen haben.

Ich habe mich verändert, Glauben ist komplizierter geworden, ich hinterfrage mehr und gehe nur noch selten zum Sonntagmorgen Gottesdienst. Mein Verhältnis zur Methodistenkriche hat sich entfremdet, aber das tiefverschüttete Verständnis, das Weihnachten nicht ausschließlich etwas mit teueren Geschenken zu tun hat und Karfreitag nicht ein Barbecue-Tag ist, sondern der höchste christliche Feiertag, das stammt von ihm. Mein Sohn zeigt mir heute 'nen Vogel, wenn ich eine Fahrradtour mit Zelt vorschlage. Seine frühen Erfahrungen in Dänemark, mit abgesoffenem Zelt, sind anscheinend nur unzureichend psychologisch aufgearbeitet worden.
Andenes Fyr Der 40m hohe Leuchturm(1859) seit 1978 automatisiert
Vor vielen Jahren habe ich das zweite Mal geheiratet. Dieses Mal alles ohne äußere Einflüsse, selbstausgsucht, selbstbestimmt und wir sind nach wie vor sehr stolz darauf. Aufgrund unserer unterschiedlichen Religionen konnte die Trauung nicht in Deutschland stattfinden. In Norwegen ist das anders und wird in Deutschland  anerkannt. Man rechnet nach der Trauung einfach bar ab.

Ellinor und ich entschieden uns für die weiße Holzkirche in Andenes, dem nördlichsten Ort der Vesteralen.

Anreise natürlich mit dem Fahrrad. Bei der Trauung waren nur 5 Menschen anwesend. Der Pastor, die Organistin und wir. Die Magie dieses Tages lag darin, das plötzlich mitten in der Trauung, aus dem Nichts, die Tür aufging und ein Bär von Mensch eintrat und sagte, er wäre Sänger, auf der Durchreise, ob wir etwas dagegen hätten, wenn er für uns Singen würde. Natürlicht nicht. Andrea Bocelli Amazing Grace
die 1876 erbaute Andenes Kirken
Und dann erfüllte der warme Klang des Amazing Grace diese Holzkirche und die Wände schienen zu beben. So wie er erschien, verschwand auch wieder, er hatte es eilig und durfte die Fähre nicht verpassen. Er wohnt auf der Insel Senya. 10 Jahre später sind wir 2011 zurückgekehrt. Diesmal mit dem Auto. Andenes hat sich verändert, der improvisierte Campingplatz hat nun ein großes Holzgebäude und es gibt inzwischen mehrere Supermärkte. Unser rotgestrichener Hochzeitsrorbuer mit Blick auf den Hafen ist konkurs gegangen, heute nur noch bloßer Lagerraum. Times are changing. Whale watching gibt es noch immer und ist die Attraktion in diesem, heute sonst leicht trostlosem Ort.
Im Sommer geht die Sonne nicht unter, Blick vom Campingplatz nach südwest
Am Vorabend unseres 10. Hochzeitstages sind wir abends um die Kirche herum geschlichen. Orgelmusik ertönte durch die Holzwände. "Unsere Kirche". Schüchtern traten wir durch die geöffnete Tür, nahmen in der hintersten Bank Platz, aber nach wenigen Sekunden erkannten wir die Organistin wieder. "Ja, sagte sie, sie erinnere sich sehr genau. Es passierte nicht häufig, das Ausländer in Andenes heiraten". Den Gottesdienst am nächsten Tag erlebten wir dann als Hinterbänkler, an dem Tag war Konfirmation. Aber das war nicht wichtig. Der Heilige Geist vom 10. Juni 2001 war auch so spürbar. Bis zum nächsten Besuch wird es jetzt etwas dauern, erst in 13 Jahren haben wir uns vorgenommen wieder zurück zukommen, am 10. Juni 2026.