tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Samstag, 18. Oktober 2014

Garberville

Fr.17.10.
In der Hauptstadt der homeless North California
Die Nacht verläuft anders als erwartet. Gegen 19:30h werden Grant’s jüngere Kinder herein gerufen. Grant erscheint nicht wieder nach seiner Verabschiedung um 16:30h. Es besteht zweifellos kein weiterer Unterhaltungsbedarf. Bei 9 Familienmitgliedern ist die Zeit knapp. Ich bleibe auf dem Hof zurück.
Also ziehe ich mich in mein Zelt zurück, draußen ist es schnell stockdunkel, nur ein wenig Licht verlässt das Wohnhaus.

Gegen 23:50h werde ich wieder wach. In dem um 20:00h verlassenen Schuppen findet nun eine Party statt. Junge Leute gönnen sich stramm alkoholisches. Der Schuppen ist hellbeleuchtet. Musik dröhnt. Oh mein Gott, wo bin ich hier gelandet? Jede Übernachtung im Wald wäre friedlicher ausgegangen als auf Grant’s Hof. Verdammt, wo sind meine CPR earprops.
Grant mit Ranger

Als ich erneut um 7:17h wieder aufwache, regnet es leicht. Ich beeile mich, das Zelt zusammen zurollen, um es nicht komplett naß regnen zu lassen.
Grant’s Kinder müssen zur Schule, da ich nun kurz ins Haus muß, bekomme ich einen Eindruck, wie das Haus aufgeteilt ist. Ich werde das bewusst nicht kommentieren. Mein Haus sieht anders aus und ich kenne auch niemanden, der Grant’s art of living führt, aber ich bin hier zu Gast, Kritik steht mir nicht zu und wenn beide Eltern Vollzeit beschäftigt sind, dann bleibt bei 5 Kindern eben möglicherweise etwas auf der Strecke. Vielleicht auch die Hausarbeit.
Fortuna, Source www.cuttenrealty.com

Ich entdecke auch seinen Partysohn von Mitternacht auf der Couch, es muss heute gutes Wetter geben, alles ausgetrunken, die Flasche neben ihm ist leer. Grant erscheint gegen 08:30h bei Abfahrt und es ihm hochnotpeinlich, das sein Filius gestern kurzfristig eine Party gab. Ist schon in Ordnung Grant, kann ja mal vorkommen und außerdem, die earprops der CanadianPacific halten alles ab. Ja, aber er müsse da was ändern bei seinem Sohn, Ja, möglicherweise.

aboandoned railway track from 1913
Ich verlasse das Haus und erreiche nach gut 17Meilen die Abzweigung zu der Avenue of the Giants. Noch hält der Himmel die Wolken zusammen, es ist stark böig; zum ersten Mal seit langer Zeit muss ich mich wieder am Gegenwind abarbeiten.

Die Avenue ist eine 31Meilen, parallel zum 101er führende Landstrasse, die quer durch den Redwood Nationalpark führt. Es gibt ein paar kleinere Weiler auf der touristisch gut ausgebauten Strecke. Als ich um 12:15h das VisitorCenter kurz vor Miranda erreichen beginnt es zu ernsthaft regnen. Es schüttet. Das kleine Museum am VC zeigt die üblichen Artefakte aus der Zeit des großen Raubbaus. Wieder vermisse ich kritische Beiträge über die Zeit, als es rücksichtslos darum ging, so viele Bäume wie möglich in kurzer Zeit zu fällen.

Der Regen hört nicht auf und ich mache mich mürrisch auf den weiteren Weg. Kurz nach der Pause entdecke ich eine Bushaltestelle, in der ein Ehepaar eine Vesper hält. Ich muss noch mal zurück und sage ihnen, das ist genau die Art wie ich Pause zu machen pflege und sie sagen nur, dann setzt Dich doch zu uns. Es sind Reykje und Marten aus Harlem in Holland. 

Sympathisch haben sie eine Pappbox mit Kocher und allem Getöns in die Bushaltestelle gezerrt und sitzen gemütlich auf der Bank, den Regen beobachtend. Holländisches Understatement. Dürfen wir ein Foto von Dir machen? Na, ihr seid nicht die ersten heute. Und doch ein anderes Gefühl bei den vielen gewollten Fotos als einige Kilometer bei den Asiaten, denen es nur um ein schnelles lebloses Foto ging. Beide sind auf dem Weg nach San Diego, 88Tage wollen den Waiver Visa Richtlinien im Land bleiben.
Marten&Reykje

Reykje macht Brote und ich werde eingladen, aber es hilft nix, der Regen lässt noch immer nicht nach; es regnet nun schon 2 Stunden. Ich muß weiter, will ich heute irgendwo bleiben, muss ich hier weg und Garberville ist noch 17Meilen entfernt.

Der Wald aber wirkt im Regen ganz anders als bei starker Sonneneinstrahlung. Immer wieder bleibe ich stehen und gehe einige Meter in den Wald. Mystisch wirkt er, die Feuchtigkeit, der warme Regen, der Nebel, der durch den Wald wabert, die nach Jahrhunderten gestürzten Riesen, die Stille, in dem man nur den Regen hört.  Es ist atemberaubend.

Irgendwann wechsele ich auf den Highway, will den Anstiegen auf der Nebenstrasse ausweichen. Und die Rechnung geht auf, nach einem kurzen Anstieg rolle ich fast in Garberville aus. Gute 10km dauert die Abfahrt auf dem Highway, bis genau 2Meilen vor dem Ort ein Mörderanstieg beginnt. Es schüttet wie aus Eimern, ich habe fast 53Meilen in den Beinen und dann so ein bekloppster Anstieg. Herrgott noch mal, kann nicht mal eine Prüfung ausfallen? Es ist zum verzweifeln, warum muss zum Schluss so ein Anstieg im Weg sein?

Klitschnass bis auf die Haut, erreiche ich den Ort. Gordon hatte mich ausdrücklich gewarnt, geh’ da nicht hin, Garberville, das sei die Hochburg der homeless in NorthCal. Auch Grant war sich sicher in der Beurteilung, mein heutiger Zielort hat eine Ausnahmestellung. Ich rolle langsam durch einen kleinen Ort und sofort weiß ich, was meine Hosts meinten. Etwas verfallen wirkt der 2600Eingwohner große Ort, aber im Dauerregen sind natürlich alle Katzen grau. Auffällig sind jedoch sind die Massen an homeless, die diesen kleinen Ort bevölkern. Es bleibt bis zum Schluß unklar, wieso Garberville sich zu einem solchen Anziehungspunkt für Gescheiterte entwickeln konnte. Letztlich sind aber viele nur auf der Durchreise ins wärmere SouthCal.

Durch den starken Regen sind die Homeless und Durchreisenden unter die Regendächer der Stores und in die Hauseingänge geflüchtet. Und obwohl es stark regnet und die Kanalisation das Wasser nicht mehr aufnehmen kann, sind genug Menschen auf der Strasse. Immer wieder wird mir irgendwas zugerufen. Ja, Du mich auch.

Aufgrund der Witterung habe ich wenig Lust auf Kontakte, ein Motel wäre mir jetzt lieber, ich denke an das Itzehoer Tandem und ihr bescheidenes Budget. Und wie sie stolz erzählten, in solchen Situation ein Zelt aufzubauen zu wollen. Im Moment bin ich froh, das mein Budget anders berechnet ist, aber es kommt ein wenig unerwartet.

Jedes Motel in diesem Ort will unerklärbar 80$, alle sind indisch geführt, ich vermute ein Kartell. Es bleibt unverständlich, was in diesem Ort diesen hohen Preis rechtfertigen soll. Mein Blick fällt auf das Sherwood Motel, klingt ein wenig wie Robin Hood, nur das Robin an diesem Tag nicht die Reichen, sondern mich ausnimmt. 
Hier ist mit 70$+Tax ist der beste Preis im Ort und doch ärgert es mich, nirgendwo habe ich bisher so viel auf den Tisch gelegt, ich zögere, ich triefe, es regnet nun seit 6Stunden und es sieht diesmal nicht wie so oft in Canada nach einem kurzfristigen Ende aus. 
78,43$ für eine Nacht in einem abgetakelten Motel oder an die Straße stellen und hoffen, das mich jemand aufnimmt, aber die Konkurrenz ist hier an diesem Tag groß. Ich treffe drei Reiter, die nach erst 25Meilen, sich für eine Weiterfahrt rüsten, Hey, wo wollt ihr denn noch hin? wissen wir noch nicht genau, wir fahren erst mal; was für ein Heldenmut!

Ich weiß zu tun ist, beiß’ in den sauren Apfel und hoffe, das die Dusche funktioniert. Man mag über Motels denken, was man will, sie sind in der Holzklasse oftmals zu alt, verschlissen, der Pool ist wie immer outdoor und unbeheizt, sie sind schlecht isoliert, laut, und bisweilen überteuert und das verfickte wifi funktioniert nicht, aber eine heiße Dusche an diesem Tag ist Gold wert.
Sherwood Motel, was willst machen?