tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Donnerstag, 25. September 2014

Quilcene

Die Donnerstag Preisfrage: was ist stimmt nicht an diesem Bild?

Mi., 24.9.
Anne’s alte Quäker Kirche
Annie or ihrem Haus zum Abschied
Von nun an 1000km nur noch nach Süden
Der Tag beginnt früh, um 07:00h klopft es an der Zimmertür. Ein Blick aus dem Fenster, grauer Himmel, tiefhängende Wolken, aber zunächst trocken. Da Annie ihr Passwort vergessen hat, konnte ich gestern Abend nicht mehr ins Netz. Der Tag beginnt also folglich bei Starbucks, die gegenüber Walmart ihren Shop in einer Einkaufszone betreiben. Vis à vis Costco, aber mir ist an diesem Morgen noch nicht nach Hot Dogs.
Source: accessibletrails.com

Es zieht sich ein wenig hin, bis die erste Postversion uploadfähig ist. Zwischendurch spreche mit Michael, der mit seiner kleinen Tochter zum Morgenkaffee bei Starbucks ist. Er hat mein Fahrrad draußen entdeckt und ist gerade mit seiner Familie aus Europa zurückgekommen ist. Brauchst Du eine Unterkunft für die Nacht? wir haben ein Haus frei, Du könntest da bleiben… aber ich will weiter. Wirklich schade.

Skype lässt sich öffnen, kein Gespräch mit Ellinor, ich bin ungnädig; ich war wirklich ein Fan dieses VoiP Programms als es noch ein estnisches Startup war, aber seit Microsoft 2011 die Firma kaufte und nun damit drin hängt, geht es immer mehr bergab. Wirklich schade.

First Nation Community Center am Highway
Um 10:00h mache ich mich auf den Weg, schnell ist klar, bis nach Shelton wird das an diesem Tag nichts. 80Meilen sind eben nicht 80km. Die Strecke verläuft ein wenig hügelig, meist durch Wald, aber die ganz großen Anstiege wie noch in BC fehlen bisher. Viel zu sehen gibt es nicht. In Discovery Bay steht ein alter Güterzug aus den 50erJahren an der Strasse, der nun als Pizzeria fungiert, aber es sieht ziemlich mau aus. 100m weiter ein alter Generalstore, ich zögere, hier einen Kaffee oder 10 Meilen weiter bis zu Shell.

Der Grocery bietet organic food an, was ich in dieser menschenleeren Gegend ziemlich bemerkenswert finde, aber eben auch ganz normalen Kaffee. Craig heißt der Mann hinter dem Tresen und er erklärt, das viele wohlhabende Leute am Rande ihrer Pensionierung in diese Gegend ziehen und der Bedarf an good food steigt. Es ist sein zweiter Store, der größere Laden befindet sich in Quilcene. 
abandoned railway im äußersten Nordwesten der USA

Es hat feste Verträge mit ökologisch gleichgesinnten Farmern, die ihn beliefern, so entsteht eine win win Situation für alle. Craig bietet mir an, auf seinem Grundstück zu übernachten, aber es sind nur noch 13Meilen bis dahin, der Tag ist noch jung und ich würde eigentlich gerne weiterfahren. 
Feuerwehr Gebäude Quilcene

Es bleibt bei einer sehr vagen Verabredung.
Robert auf dem Weg nach San Diego

Park Ranger Office
Nachdem der Verkehr die Abfahrt nach Bremerton, wo die Fähren aufs Festland nach Seattle ablegen, passiert hat, ist kaum noch etwas von dem Verkehr zu spüren. Ich fahre nun durch eine einsame, berggesäumte von Nebelwolken umrahmte Landschaft. Nach 13Meilen kommt Quilcene in Sicht und als erstes treffe ich auf Robert. Er schreibt auch unter der Homepage von crazy-guy-on-a-bike und ist auf dem Weg nach San Diego. Er hat seinen Job in einem Outdoor Laden gekündigt und will sich zu seinem 50. Geburtstag eine Fahrradtour gönnen. Kommt mir bekannt vor.
'Bist ein wenig spät dran dieses Jahr, rufe ich ihm zu. Aber er genießt die abebbende Saison. So ist viel weniger Verkehr. Wir tauschen emailadressen aus, dann trennen wir uns. Quilcene ist bekannt für ihre Austernspezialitäten und ist er auf der Suche nach einem Restaurant. Ich suche derweil das Haus von Craig, das ich in seinem Laden auf google streetview Aufnahme schon gesehen habe.
Ortsdurchfahrt Quilcene

Der 600 Einwohner große Ort ist kleiner als gedacht und ich frage ahnungslos in der NP Ranger Station nach, in welcher Richtung der Ort liegt. Ne, sagt der freundlich weibliche Ranger Nationalparks, Du bist schon durch, der Ort liegt hinter mir, also Neustart, alles noch mal von vorn und nun beginnt der ungeahnt spannende Teil des Nachmittags.

Zuerst entdecke ich eine alte Holzschindel Kirche mit Glockenturm, ein Stock klemmt zwischen den beiden Griffen der Eingangstür. 50m weiter steht eine Art Verkaufswagen mit Espresso Fahne. Hey Lady, ist die Kirche noch on duty?, Nein, die Kirche gehört ihr, sie hat die Kirche gekauft renoviert und ist gerade fertig geworden.

Lady, ich will in die Kirche, na klar, kein Problem und sie öffnet mir die Tür, und nun ist der Gottesdienstraum mehr eine Art Atelier, die alten Stühle aus dem 1910er Jahren sind zusammengestellt; nun ist es hier ihr Refugium. 
Die Kirche in den 1920er Jahren
Es war ein Gotteshaus der Quaker, streng puritanische Gläubige, am ehesten vergleichbar mit den Amish people. 
Wikipedia.org Die Quaker 
Der Gottesdienstraum
Die Kirche verfiel, der Glockenturm drohte einzustürzen, das gesamte Dach ließ sie neu richten. Hinter ihrem rollenden Cafe ist ein großer Community Garten. Der Boden ist so ertragreich, das jeder, der will, sich bedienen darf. Dieses Jahr war ein überdurchschnittliches Tomatenjahr. 

Ganz neu für mich sind schwarzviolette Cherry Tomaten, die ihre beste Reife erst haben, wenn sich einige rote Flecken bilden. Oder aromatische knallgelbe Cherries.  

Ich spreche mit der Koordinatorin Juanita. Ein wenig später erscheint sie erneut und lädt mich zu einem Abendessen in einer Kirchengemeinde ein, Beginn 18:00h. Zum Glück ist noch viel Zeit, denn es gibt noch einiges zu entdecken, zunächst aber zurück zu Anne mit ihrem Kaffeewagen und ich frage sie, ob der Wagen sich hier überhaupt lohnt und sie lacht, sie macht ihren Wagen bereits um 06:00h auf, aber wer kommt denn?

Du wirst Dich wundern und kaum glauben, wie viel Umsatz wir letztes Jahr hatten. Eine unglaubliche Story mitten in einem 600Einwohner Dorf.
custom made Wohnund Verkaufsanhänger, von Gotteshaus bis Coffeestore

Und wir kommen ins Gespräch und ich sage, diese Kirche erinnert mich sehr an meine Hochzeitskirche. Ebenfalls eine Holzkirche, allerdings in Norwegen und weiß gestrichen. Wo das wäre? Ach, wahrscheinlich wüsste sie nicht, wo das ist; ein kleines Dorf in Nordnorwegen und dann fangen ihre Augen an zu lachen, natürlich kennt sie Andöya und sie weiß sehr gut wo Andenes liegt. 

Ihre Großmutter ist eine ausgewanderte Norwegerin, zum zweiten Mal erfahre ich, das in dieser Gegend viele origin norwegians leben. Weil das Klima und die Landschaft dem Land mit den großen Fjorden so ähnelt.
Anne's Geschäftsidee

Wir unterhalten uns noch lange, dann muß ich zum Gemeindehaus, um ins Internet zu gehen.
Auch hier mit drive thru Coffee für den Fire Dept.Chief Moser
Dort treffe ich Tom mit seinem australian Dingo Mix, ein Mann mit einem Lebenslauf für drei Leben. Hat lange als Holzfäller gearbeitet hat sich überall so durchgeschlagen und kommt mir nun passend in seiner Papptüte ein Bier der Marke Long Hammer entgegen. 

Neben dem Gemeindehaus ist die Foodbank. Mittwochs ist Ausgabetag. Neben den vielen Informationen, die Tom fortwährend herausschüttet, ist eine sehr kurze Textzeile, unten am Fluss sind die Leute am Lachsangeln. 
schwarze sehr aromatische Tomaten
Wiederhol’ das noch einmal. Tom. Wo ist das? Unweit der Haupstrasse am Big Quilcene River kommt der Lachs flussaufwärts zum Laichen. 
Nix wie hin!
Tot nach dem Laichen, die Lachse am Ort ihrer Geburt
koordiniert den Community Garden: Juanita

Tom hatte recht.
Etliche Pickups stehen am Wegesrand, mindestens 20 Angler stehen an diesem gut 5m breiten, maximal 50cm tiefem Flussbett mit ihren Ruten. 
Und der Fluss ist voller riesiger silberfarbender Lachse. An den Ufern liegen die Kadaver der großen Fische.

Es bleibt ein seltsam unverständliches Schicksal, der Lachs kommt zurück an den Ort seiner Geburt, den gesamten Flusslauf vom Pazifik hierher, in diesen Bach, der sich River nennt, das Weibchen laicht ab, dann stirbt es. Was für eine Qual.

Etliche vermoderte Salmon liegen an Ufernähe. Fische, die für mehrere Tage reichen würden. Weiter abseits warten gierige Möven auf ihren Anteil, den die Angler zurück lassen.

Ich kann 20, 30 Lachse in dem kurzen Abschnitt zählen. Man könnte meinen, es wäre möglich die Fische mit Hand oder einem Netz fangen zu können. Und es stinkt gewaltig. Es gibt eine Vorstellung wie es in Alaska aussehen muß, wenn die Grizzlys sich den Bauch voll schlagen.

Zurück in dem kleinen Ort der nächste Besuch, diesmal bei Marc dem Schreiner, der seit 9Jahren hier Tischplatten und Bänke aus Redwood Red Cedar und Douglas Fir nach Maß herstellt. Ich darf in seinen Schowroom, der manchmal auch dem Örtchen als Kino oder Konzertsaal dient, ach’ dann räumen wir einfach alles zusammen und ich erfahre einiges über Preise und Alter seiner riesigen Baumscheiben. Auch ihn muß ich fragen, wie es denn möglich sei, hier in diesem kleinen Ort zu wirtschaften.
Marc in seinem Sägewerk, das zwischendurch auch mal Kino oder Konzertsaal ist

Aber Marc ist zufrieden. Alle, die ich heute traf wirken sehr zufrieden, und Anne bringt es auf den Punkt, es ist schön hier, ruhig, vertraut, wir wollen gar nicht das unser Lebensraum so publik wird. Viele sind Flüchtlinge aus den nervösen stressigen Metropolen, gemeinsam ist ihnen das Leben in der Natur und der Bedarf nach gesunden Essen.
Small town Communities.
Als letztes der Besuch eines Potluck, ein Gemeinschaftsessen, jeder bringt was mit, ich habe eine green card und mache mich auf den Weg. Es ist die Gemeinschaft der Assembly church. Ich bin ein wenig unsicher, bis es hinter mir ruft, steh’ da nicht rum, gleich gibt’s Diner, ja aber…
Gottesdienst unter dem Star spangled banner

Nix aber, es ist Gottes Haus, jeder ist da willkommen, also dann, und so lerne ich Ottonormalamerika kennen, eine alleinerziehende Mutter, die homeschooling ihrer Kinder betreibt und genieße das Essen in der protestantisch, pfingstkirchlich orientierten Gemeinschaft. Gut 30% der Kinder werden hier in der Region zu Hause von ihren Eltern unterrichtet, ist der allgemeine Schätzwert der Runde. Ich lasse die Bibelarbeit ausfallen, mein englisch reicht dafür nicht aus und mache mich auf den Weg zur alten Kirche.
Eine Nacht im alten Quaker Haus. Bevor ich die Kirche erreiche, läuft mir Marc entgegen. Hey, ich habe da ein Erinnerungsstück für Dich. Marc, ich kann nichts mitnehmen. Aber er entgegnet, es ist klein. Quasi für die Kunden mit schmalen Geldbeutel fertig er Kühlschrankmagnete aus Western Red Cedar, meinem entdeckten Baum aus dem Stanley Park. Meine Baumscheibe ist gut 80Jahre alt. Ich verspreche ihm, auf das Andenken aufzupassen und vom heimischen Kühlschrank ein Foto zu schicken. 
Der Tag geht zu Ende, an der Kirchentür hängt eine Nachricht von Anne, zuerst wollte weiter, nicht bleiben; nun bin ich froh hier geblieben zu sein.