tramps like us, baby we were born to run...[Bruuuuce1975]

Anmerkung: Wir stellen das Blog jetzt wieder online, um noch ausstehende Korrekturarbeiten abzuschließen.
Ausserdem sollen später Inhalte dieses Blogs in das neue Projekt übernommen werden.

[Arbeitstitel] ukrainisch/russiche Notizen 2016 unter blogger


Freitag, 5. September 2014

Sechelt

Schon wieder Polizeiautos fotographiert, neugierig, ob wieder was passiert...
Do.,4.9.
Noch eine Woche, bis Ellinor kommt.
Da niemand erschienen ist, um mich zu verabschieden, verlasse ich das Grundstück gegen 08:00h, ohne ein weiteres Wort. 

Es ist inzwischen deutlich Herbst geworden. Der Morgentau hat sich über alles gelegt. Das Zelt ist nun jeden Morgen nass, bis zum Abbau wird nichts mehr trocken und ich muß separat packen.
Entgegen der Fahrtrichtung 1,5km zurück zu Petro Canada, Kaffee und einen frischen Applefritter für 3,50$ Und sofort bin ich im Gespräch. Der Tankwart kennt alle Kunden mit Vornamen, freundlich erkundigt er sich woher/wohin des Wegs.
Faxen dicke, Anstieg...

Buzzard sagte gestern Abend in seinem Rausch etwas von 30km bis nach Sechelt, stand einfach mit laufendem Motor seines Pickups vorm Zelt und wirkte nicht ganz nüchtern. Wir unterhielten uns lange bis die Dunkelheit einsetzte, dann verschwand er auf irgendwelchen Forstwegen. Auch er war sichtlich pikiert, das ich das angebotene Bier ablehnte.
über Anstieg, schiebend nach oben

Natürlich sind es nicht 30km, in Canada fällt es den Einheimischen Autofahrern verflixt nochmal schwer Entfernungsangaben treffsicher vorherzusagen. 10km sind heute schon auf und ab, da kommt das erste Schild noch 30km.Die Berge machen mich fertig.
Und mit dem Schild kommt die Frustration pur. Später wird Ellinor sagen, vielleicht bis Du einfach körperlich zu erschöpft. Nein, bin ich nicht, nein,nein; das hier sind Steigungen, eben richtige Steigungen. Ein wenig mehr als der Berg in der Holstenstrasse.
...wat können 40km eine Tortur sein

Ich hätte es einfacher haben können. Ich saß bei Craig auf dem Sofa und hätte nur den Berg herunter rollern müssen und schon wäre ich auf der Fähre gewesen. Aber mir war ja noch nach etwas Bewegung. Seit ich die Sunshine Coast fahre, ahne ich, das es ein Fehler gewesen sein.

Natürlich ist das möglicherweise eine eingeschränkte Sichtweise, zu glauben Küste und Küstenstrasse, das bedeutet eine flache Strasse am Meer. 

Und in Norddeutschland ist das tatsächlich auch so. Hier nicht. Aber in meinen Gedanken ist das wirklich so, ich bekomme das nicht in meinen Kopf, das jede Strasse eine Art Passstrasse sein soll.

Obwohl die Strasse nicht mal 500m von der Küste entfernt ist, gibt es keine flachen geraden 300m langen Teilstrecken, ich schiebe den Berg hoch, und rase ihn mit 65km/h wieder herunter. Yippieayeah. Unten fange ich von vorne an. Selten sind die Steigungen so gelegt, das ich sie sitzend parieren kann. Die Spätsommersonne matert in vollen Zügen. Von den fehlenden 40km schiebe ich gefühlt 10km an diesem Tag. Ich habe viel über den Sunshine Coast Highway gelesen, gefährlich sei er, kaum Randstreifen, man wolle ihn 4spurig ausgebaut haben, ja, tödliche Unfälle gab es.Von steil stand da nix.
Landepiste der Harbour Air, tägliche Flüge nach Victoria und Vancouver
Ich erlebe das heute anders, es gibt Verkehr, aber in diesen Morgenstunden richtet sich das Verkehrsaufkommen nach dem Einlaufen der Fähre in Earls Cove. Ist der Tross an mir vorbei in Richtung Horseshoe Bay, ist der übrig bleibende Rest mehr als harmlos. Was viel mehr frustriert, ist das Streckenprofil. Ich hadere mit den Bergen. Als die Strecke in den 60er Jahren angelegt wurde, waren die Autos größer und die Motoren durstiger, an Tourenfahrradfahrer dachte man nicht. Ich bin ziemlich am Ende, als mir ein Tandem entgegenkommt und ich bringe nicht mehr die Kraft auf, mehr als nur kurz Hallo zu grüßen. Die 30km ziehen sich elendig hin. Als ich endlich den westlichen Vorort Sechelts erreiche, ist es wie eine Befreiung.
Was für ein Tag; um 12:00h erreiche ich das VisitorCenter.
Sechelt Lake


Ich brauche Zeit das Zelt und den Schlafsack zu trocknen.
Ellinor wartet schon auf mich, nebenbei hänge ich Bilder im VisitorCenter auf, weil die Ladys etwas kleinwüchsig sind und eine Leiter nicht vorhanden ist.
Zeiten der Anspannung, Zeiten der Entspannung.
Sechelt First Nation Versammlungshaus

Im hochpreisigem Supermarkt am Ort kann man eigentlich nicht einkaufen, also nur das Nötigste und zum Frühstück an den Strand. Dummerweise entdecke ich erst am nächsten Tag einen Extrafoods am Ausgang des Ortes. Ich hätte einfach gezielt fragen sollten. Dumm gelaufen. 
Jamie aus Halfmoon Bay, proud to be First Nation
Der Strand besteht auch hier aus Steinstrand, mit langer Promenade.
Mein Traum an diesem Tag am Strand zu schlafen, erweist sich als unrealistisch. Zwar ist auch hier der Strand direkt für alle frei zugängig, aber jedes Grundstück ist bebaut.
Will ich in Sechelt bleiben, muß noch ein Campingplatz her, die offiziellen Anlagen liegen für mich viel zu weit vor der Stadt entfernt.
Also weiterhin Guerilla Camping. An Auswahl ist es kein Problem, nur eben wohl nicht direkt am Strand vor den weissen Strandhäusern der wohlhabenden Einheimischen. Obwohl, viele Häuser stehen zum Verkauf, Die Immobilienkrise hat auch Sechelt erreicht.
Etwas abseits der gutgepflegten Strandpromenade ist eine First Nation Siedlung und mich interessieren die Totems am Strand. Auf dem Weg dahin läuft mir Jamie aus Halfmoon Bay über den Weg. In deutsch übersetzt sagt er so etwas wie Alter, was hast Du denn da alles auf dem Rad? Gut, ich kenne diese Bemerkung inzwischen. 
 
Er gehört zu den Sechelt First Nation und freut sich über die gerade im Meer gefangenen großen Fische zum Abendessen. Er begrüßt mich mit dem Zeichen der Faust, so wie Etoile das bei seinem Erscheinen im Dienst immer tut. Stolz zeigt er mir das Haus seiner Eltern und hier wohnt mein Bruder, da mein Cousin, da mein Onkel…
Family Business. Sechelt First Nation
Etwas weiter die Strasse hinauf stehen große Totems direkt am Meer, dahinter eine kleine, geduckt wirkende katholische Kirche. Als ich die Kirche erreiche, fährt mir ein roter SUV entgegen und ich schreie den Fahrer an, hey, bist Du der Pastor?, ne, ist er nicht, aber was ich wollte, na, einen Blick in die Kirche werfen und schon sind wir im Gespräch. Ohne was gesagt zu haben, fragt mich Gave, brauchst Du einen Campingplatz, ja schon, aber keinen Offiziellen. 
Das Auto von Gave, zunächst nicht beachtet, später plötzlich very importet

Ja, dann komm doch zu mir, ich wohne etwas vor der Stadt, wie weit? Ungefähr 1Km, halbfertig gestrichener Zaun, grünes Holzhaus. Gibt’s auch ne Nummer?. 5880. Da ist es wieder.  Dieses ca. 1km, was ist, wenn auch dieser Fahrer eine nicht-erkennbare Km/Miles-Entfernungsschwäche hat. Aber ich gehe das Risiko ein. Wenn Du kommst ist gut, wenn nicht, ist auch gut und so ist der Deal und so ich noch Zeit am VC meinen Blog zu schreiben, bevor ich das Haus suche. 
Detail Totem


Und ich renne das zweite Mal in den teuren Supermarkt und ein Pärchen spricht mich an, hey, wir haben Dich heute morgen gesehen, ja, wo? Wir waren das auf dem Highway auf dem Tandem und schon bin ich wieder am schnacken, schnell muß ich mein Urteil über die beiden Schönwetter Tandemfahrer revidieren.
Vor mir stehen zwei echte Profi Biker. Stolz machen wir ein Foto vor ihrem Auto mit 4fach Radaufnahme. 
Ihr Gefährt wurde in Oregon gebaut, Tandem faltbar, damit bei Flügen keine Extragebühren entstehen. 10000$ kostet das Luxusbike mit Kardankettenantrieb. Stolz erzählen sie die ersten 10000km ohne irgendwelche Verschleißteilwechsel haben sie bereits abgespult. Ich werde neidisch. 
Dabei sehen die beiden nun wirklich nicht wie hardcorebiker aus. Nächste Woche will Leanne mit ihrer Tochter in Oregon fahren. Eine Viertelstunde später bin ich mir mit den Vornamen schon wieder nicht mehr sicher. Das Gehirn ist einfach mit den vielen Namen überlastet. Ich muß das endlich aufschreiben. Sorry, Ihr beiden. 

Beeindruckt verlasse ich die Szene und machen mich auf den Weg die Hausnummer 5880 zu suchen. Es ist zum Glück nicht weit außerhalb des Ortes. Als ich das Haus erreiche, ist das Grundstück verwaist, ich baue das Zelt auf und finde Strom. Als Gave eine Stunde später kommt, fragt er als erstes warum hast Du Dich nicht in den Schaukelstuhl da vorne gesetzt, dort gibt es wifi vom Nachbarn? Ich glaub' ich schmeiß' mich weg. 
Leanna&Phil(?),  vor ihrem Edelbike
Schon wieder wifi vom Nachbarn anzapfen. Gave hat die beste Idee des Tages für 2$ ist der Einlaß ab 19:00h im Schwimmbad zu haben, das bietet die Gelegenheit zu Sauna&Co. Na klar, alles ins Zelt geworfen, Badesachen raus und 2min sitze ich im roten Toyota.
begeisternde Technik, Tandem faltbar, Kardan Antrieb
Suche das Haus von Gave hellgrün, am Highway, Zaun half paintet

Aber der Abend verläuft anders, als er zu erwarten wäre. Gave verabschiedet sich bereits nach 30min im Pool von mir und sagt er hätte noch zu tun. Als ich später zurück zu meinem Zelt komme, wirkt er sehr beschäftigt und zurückgezogen, so das es zu keinem weiteren Gespräch mehr kommt. Und so ziehe ich mich ebenfalls in die Dunkelheit zurück. Unverbindlichkeit pur. Gave hat den Zeltplatz angeboten, so war der Deal, alles weitere scheint für ihn nicht wichtig. Ich bleibe verblüfft zurück und überlege, wie es möglich ist, das man Fremde von der Strasse auf das eigene Grundstück einlädt, ohne irgendein vorgeschobenes Interesse an deren Person zu zeigen.